Totenkönig (German Edition)
befahl. Weit außerhalb der Stadt, wo sie niemand mehr s ehen konnte, würden sie die Tiefe Nefalions wieder verlassen. An einem einsamen Ort würden sie auf den Totenkönig warten.
Ein neuer Tag begann. Sonnenstrahlen benetzten die Schauplätze der Unruhen. Zehn Gebäude inmitten des Stadtzentrums waren vollständig abgebrannt, vier davon waren Kerker gewesen, ein Haus galt als Quartier von ratstreuen Wachmannschaften. Auf den Straßen, die in das Stadtzentrum führten, lagen die Leichname toter Soldaten und Aufständischer. Fliegen ließen sich auf dem leblosen Fleisch nieder, und am Himmel kreisten bereits die Aasvögel. Bald schon würden sie herabstoßen, um zu fressen. Vom Platz der ewigen Gerechtigkeit stieg noch immer stinkender Rauch auf. Von Lemars Scheiterhaufen war nur ein Berg Asche geblieben. Vereinzelt zeichneten sich Knochenreste in der Glut ab.
In nur einer Nacht hatten sich die Machtverhältnisse in der Stadt geändert. Keiner der Aufständischen sollte je erfahren, dass zwei Unsterbliche ihre ganz eigene Rolle bei den Unruhen gespielt hatten, und dass eine junge Majunayfrau mit Namen Zaira der Anlass für ihr Einschreiten gewesen war.
Larkyen und Patryous streiften die Kapuzen ihrer Mäntel über, um ihre Gesichter mit den bedrohlichen Raubtieraugen zu verbergen. Sie konnten die sich nähernden Sterblichen bereits aus der Ferne hören und riechen. Nur wenige Atemzüge später füllte sich die Gegend mit Menschen.
Aus vielen Straßen und Gassen kamen die Meridianer in das Stadtzentrum gelaufen und versammelten sich an den Ufern des ne uen Sees. Gewöhnliche Bürger standen neben Kriegern der anderen Gilden und Soldaten. Noch vor einem Tag waren sie Feinde gewesen. Nun aber schien es, als seien sie wie aus einem Traum erwacht und hätten ihre Gleichheit, ihre Zusammengehörigkeit erkannt, die unter der Herrschaft des Rates und eines uralten Unsterblichen für so lange Zeit verhindert worden war.
In vielen Gesichtern spiegelte sich Erleichterung. Manche Mer idianer lachten und jubelten, andere fingen an, Freudenlieder zu singen. Sie tauschten Neuigkeiten aus, sie sprachen darüber, dass vergangene Nacht die Velorgilde besiegt worden war, und dass es im Hafenviertel gespukt habe. Von Geistern war die Rede, deren Augen glühten wie ein Kohlefeuer; gekleidet in verrostete Rüstungen, an denen noch immer Grabeserde klebte.
Niemand beachtete die beiden Unsterblichen. Selbst der Speer aus schwarzem Stahl, den Patryous in ihrer rechten Hand hielt und de ssen makellose Oberfläche im Sonnenschein so außergewöhnlich schimmerte, erregte keinerlei Aufmerksamkeit.
Larkyen und Patryous sahen sich zwischen den Meridianern um. Noch immer waren einige Ratsmitglieder am Leben und auf der Flucht. Die Meridianer würden ein Ratsmitglied nicht einmal erke nnen, wenn es vor ihnen stünde. Der Rat der Neun hatte seit jeher verborgen vor den Augen des Volkes regiert. Und wenn die fünf überlebenden Ratsmitglieder sich ihrer blutroten Gewänder entledigt hatten, würden auch Larkyen und Patryous sie zumindest nicht mit ihren Augen erkennen, denn auch sie hatten die Gesichter der Männer und Frauen nicht vollständig erblickt. Doch jeder Mensch, jedes Lebewesen, besitzt einen eigenen unverwechselbaren Geruch. Und der Geruchssinn von Unsterblichen war so ausgeprägt, um selbst unter tausenden Meridianern ein Ratsmitglied am Geruch zu erkennen.
Schnell hatten sie eine Fährte aufgenommen, und hungrigen Wö lfen gleich begannen sie zu jagen.
Nicht weit entfernt, in einer schattigen Gasse, lagen zwischen den Leichen von Aufständischen und Soldaten fünf rote Gewänder. Ein igen der Toten fehlten die Kleider, die Ratsmitglieder mussten sie ihnen genommen haben und streiften nun in blutigen Lumpen durch die Straßen. Ihr Geruch blieb jedoch für Larkyen und Patryous wahrnehmbar.
Die Ratsmitglieder waren aus dem Stadtzentrum in Richtung der Felder geflüchtet. Sie waren dicht beisammen geblieben, obwohl es klüger gewesen wäre getrennte Wege zu gehen. Nebeneinander füh rten ihre frischen Spuren durch ein Getreidefeld, auf die Kathedrale des Fleisches zu, jenem Gebäude, in dem sie sich in Vollmondnächten ihren abartigen Gelüsten hingegeben hatten.
Larkyen konnte die fünf Ratsmitglieder mittlerweile sehen. So schnell wie er und Patryous sich ihnen näherten, konnten sie nicht rennen. Längst hatten die Ratsmitglieder bemerkt, dass sie verfolgt wurden.
Larkyen und Patryous bekamen das langsamste Ratsmitglied
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