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Totenkönig (German Edition)

Totenkönig (German Edition)

Titel: Totenkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Siebert
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Grund fiel bereits steil ab und verschwand zur Mitte hin in einem dunklen Loch. Jetzt konnte er die Kraft, von der dieser See erfüllt war, sogar spüren. Nur der Vorsicht halber trank er selbst einen Schluck von dem Wasser. Es war reines Quellwasser, so rein wie jenes Wasser in der Halle der tausend Ströme, das sich unter der Stadt vereinigt hatte, um einen unterirdischen Ozean zu erschaffen.
    Larkyen führte eine Hand voll Wasser an Zairas Lippen. „Trink“, flüsterte er der jungen Frau zu, ohne zu wissen ob sie ihn noch hören konnte. Sie nahm drei Schluck davon. Dann ließ er ihren Leib bis zum Hals in dem See versinken. Zairas Blut vermischte sich mit dem Wasser. Er lauschte dem Schlag ihres Herzens. Sie war so entsetzlich schwach, dass er nur noch einen winzigen Hauch von Leben in ihrem Leib spürte. Der Moment der Entscheidung war gekommen. Leben oder Sterben.
    Plötzlich huschte ein Schatten über die Wasseroberfläche. Larkyen sah sich um, um festzustellen, woher er gekommen war. Am Ufer erspähte er zwischen den Meridianern eine schwarze Gestalt. Sie trug ein weites Gewand mit ausladender Kapuze, unter der sich die Knochen eines menschlichen Schädels abzeichneten. Mit den Fingern der rechten Hand umfasste sie den langen Schaft einer großen Sense. Larkyen traute seinen Augen nicht. Die Gestalt erinnerte an den leibhaftigen Tod, so wie ihn sich die Menschen vorstellten. Doch Zaira durfte er nicht bekommen. Während er mit einer Hand die Frau festhielt, legte sich seine andere um den Griff seines Schwertes. Binnen eines Atemzuges verschwand die Gestalt zwischen den Menschenmassen.
    Larkyen bemerkte, dass Zairas Stichwunde aufhörte zu bluten. Eine unterirdische kühle Strömung spülte das Blut fort, und das Wasser klarte wieder auf. Zairas Herz begann schneller zu schlagen, ihre Atemzüge wurden kräftiger. Larkyen lächelte. „Du schaffst es“, fl üsterte er der Frau zu. „Du wirst leben.“
    Irgendwo in der Menschenmenge hörte er Khorgo nach seiner Tochter rufen. Er sah zurück zum Ufer. Patryous stand bei dem M ajunay. Als er wieder in Zairas Gesicht sah, öffnete die Frau langsam ihre Augen. „Wo bin ich?“ fragte sie.
    Larkyen lachte. „Sie lebt!“ rief er. „Zaira lebt.“
    Khorgo rannte zu seiner Tochter. Er legte ihre Arme um sie, und auch er lachte, während Tränen der Freude auf seinen Wangen glänzten.
    Patryous untersuchte Zairas Stichwunde sorgfältig. „Erstaunlich“, flüsterte die Unsterbliche. „Die Verletzung hat begonnen zu verhe ilen.“ Sie tauchte ihre Hand in das Wasser und führte einen Schluck an ihre Lippen. „Meine Vermutung war richtig“, sagte Patryous. „Das Wasser birgt dieselbe Kraft in sich wie die Pyramide. Nach ihrer Zerstörung wurde all diese Kraft entfesselt und an diesen See gebunden. Wer weiß, für wie lange.“ Sie ließ ihren Blick über das Seeufer schweifen und sah die vielen Meridianer, die von dem Wasser tranken, ihre Wunden damit bentzten oder dabei halfen, die Schwerverwundeten zu baden. „Ich bin der Meinung, wir können hier von einem Wunder sprechen.“
    „Es ist ein Wunder“, seufzte Khorgo. „Ja, ein richtiges Wunder!“
    Zufrieden stand Larkyen an der Seite seines Freundes. „Heute ist ein guter Tag“, sagte er, und sein Lächeln sollte noch lange nicht aus seinem Gesicht verschwinden.
     
    Larkyen und Patryous verließen mit Khorgo und Zaira den See, der von vielen Meridianern bereits als ein Brunnen des Lebens bezeichnet wurde. Viele Verwundete würden in seinen Wassern noch geheilt werden.
    Zaira war schwach auf den Beinen und saß auf Alvans Rücken. Sie lehnte ihren Kopf an den Nacken des Tieres und hielt sich an der dichten Mähne fest. Khorgo saß hinter seiner Tochter und hatte beide Arme schützend um sie gelegt. Sie sprach kein Wort, sondern sah sich nur immer wieder um, betrachtete die beschädigten Gebäude im Stadtzentrum und die vielen Toten.
    Längst begannen die Meridianer damit, die Trümmer von den Straßen zu räumen und die Toten aufzubahren. Noch lange hallte das Wehklagen von Müttern und Vätern, Ehefrauen und Ehemännern, Brüdern und Schwestern, Verwandten oder Freunden in den Häuserschluchten wider. Für zu viele verletzte Meridianer hatte es kein heilendes Wasser gegeben, und keine helfende Hand.
    Larkyen hielt die Zügel des Pferdes, Patryous ging an seiner Se ite.
    „Danke“, sagte Khorgo. „Du und Patryous, ihr habt so viel für mich und Zaira getan, euch verdankt meine Tochter ihr Leben. Ihr

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