Totenkünstler (German Edition)
niedergeschlagen. »Ich habe nichts gefunden, was Nathan Littlewood mit irgendeiner polizeilichen Ermittlung in Verbindung bringen könnte. Er hat das LAPD nie bei einem Fall beraten, nie vor Gericht ausgesagt, und er war auch nie als Geschworener tätig. Ich arbeite, so schnell ich kann. Im Moment versuche ich gerade rauszufinden, ob er vielleicht eins der Opfer von Nicholsons oder Dupeks Fällen psychologisch betreut hat. Falls ja, ließe sich womöglich dadurch eine Verbindung zu Ken Sands herstellen. Leider ist es ziemlich schwierig, an Informationen über Littlewoods ehemalige Patienten ranzukommen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber nur weil wir bis jetzt noch nicht fündig geworden sind, heißt das nicht, dass Nathan Littlewood nichts mit Ken Sand oder Alfredo Ortega zu tun hatte.«
»Traumhaft«, keifte Blake. »Mit anderen Worten, wenn das neueste Mordopfer nicht in die einzige Theorie passt, die Sie sich bis dato zusammenreimen konnten – nämlich Ken Sands’ Rachefeldzug –, dann ist alles, was wir vorzuweisen haben, eine Handvoll heiße Luft.« Captain Blake wandte sich an Hunter. »Vielleicht wird es allmählich Zeit, dass Ihr Superhirn eine neue Idee ausspuckt, Robert. Der Polizeichef und der Bürgermeister haben mir nämlich vor zwanzig Minuten erst eine Gardinenpredigt gehalten. Sie haben keine Lust, länger zuzusehen, wie dieser ›Totenkünstler‹ die Stadt in Angst und Schrecken versetzt und der Polizei auf der Nase herumtanzt. In Bezirksstaatsanwalt Bradleys Augen ist die ganze Ermittlung schon jetzt ein Fiasko, und ich möchte lieber nicht wiederholen, was er über die zuständigen Detectives gesagt hat. Dieser Artikel hier hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Wenn wir nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden irgendeine verwertbare Spur vorweisen können, sind wir den Fall los.«
»Was?« Garcia sprang von seinem Stuhl auf.
»Begreifen Sie denn nicht? Uns steht die Scheiße bis zum Hals. Der erste Mord ist acht Tage her, und obwohl wir alle rund um die Uhr schuften, haben wir noch nichts in der Hand. Wenn wir morgen früh nicht mit irgendwas Konkretem aufwarten können, wird der Bezirksstaatsanwalt das FBI bitten, die Ermittlungen zu übernehmen. Wir werden ihnen dann nur noch zuarbeiten.«
»Ihnen zuarbeiten?«, wiederholte Garcia. »Wie? Indem wir ihnen den Hintern abputzen? Kaffee für sie kochen?«
Hunter hatte bereits einige Jahre zuvor in einem Fall mit dem FBI zusammengearbeitet, und es war eine durch und durch unangenehme Erfahrung gewesen. Er hielt sich zurück, aber es kam für ihn überhaupt nicht in Frage, das Kindermädchen für die Feds zu spielen oder ihnen seinen Fall auf dem Silbertablett zu servieren.
»Nachdem die Story an die Öffentlichkeit gelangt ist, hat das FBI sich beim Polizeichef, beim Bürgermeister, beim Bezirksstaatsanwalt und bei mir gemeldet und uns Hilfe angeboten. Sie haben gesagt, und ich zitiere: ›Denken Sie daran, wir sind hier, falls Sie uns brauchen.‹ Im Übrigen bin ich von all denen, die ich gerade aufgezählt habe, die Einzige, die der Ansicht ist, dass wir sie nicht brauchen.«
»Das ist doch alles ein riesiger Haufen Mist, Captain.«
»Liefern Sie mir was Konkretes, oder finden Sie sich damit ab, dass wir in vierundzwanzig Stunden diejenigen sein werden, die bis zum Hals in ebendiesem Misthaufen stecken und für die FBI-Fritzen die Schaufeln schwingen.«
86
Am späten Nachmittag war der blaue Himmel über Los Angeles dunklen, drohenden Wolken gewichen. Sie kündigten das erste Unwetter des Sommers an.
Hunter erreichte Los Feliz, ein hügeliges Viertel nördlich von East Hollywood, gerade als in der Ferne der erste Donner rollte. Garcia war zu Nathan Littlewoods Praxis gefahren. Er wollte erneut einige der Angestellten aus den Nachbarbüros befragen und sich noch einmal am Tatort umsehen.
Littlewoods Wohnung lag im zehnten Stock eines vierzehnstöckigen Hochhauses an der Ecke Los Feliz Boulevard und Hillhurst Avenue. Hunter hatte sich von Littlewoods Sekretärin den Zweitschlüssel geben lassen. Die Eingangshalle war groß, hell, blitzsauber und einladend. Hinter einem halbrunden Empfangstresen saß der Pförtner, ein etwa sechzigjähriger Afroamerikaner mit akkurat getrimmtem Ziegenbärtchen. Als Hunter durch die Halle ging und den Fahrstuhlknopf drückte, hob er den Blick von seinem Taschenbuch.
»Besuchen Sie jemanden?«, fragte er, ohne aufzustehen.
»Nein, Sir«, antwortete Hunter und hielt seine
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