Totenkünstler (German Edition)
seit Monaten niemand saubergemacht. Das heißt, die Wimper beweist zwar, dass Sands in der Wohnung war, aber ohne Augenzeugen, die ihn in der Mordnacht dort gesehen haben, oder ein Geständnis können sie sich eine Verurteilung abschminken. Sands braucht bloß zu behaupten, dass er Tito zu einem früheren Zeitpunkt besucht hat.«
Garcia wusste, dass sein Partner recht hatte.
»Konntest du in Littlewoods Praxis irgendwas Neues in Erfahrung bringen?«
Garcia strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. »Rein gar nichts.« Er sah auf seine Armbanduhr und kniff sich dann ein paarmal verärgert in die Nase.
Hunter konnte Garcias Frust nur allzu gut nachvollziehen. »Wo steckt Alice?«
»Keine Ahnung. Sie war nicht hier, als ich zurückkam. Was ist das da?« Mit dem Kopf deutete Garcia zur Kiste auf Hunters Schreibtisch.
»Die habe ich aus Littlewoods Wohnung mitgebracht. Alte Fotos.«
Garcia hob eine Braue.
Doch vorerst ließ Hunter die Kiste stehen und ging stattdessen zur Pinnwand. Diesmal galt seine Aufmerksamkeit allein den Fotos der Skulpturen. Er studierte sie eine Zeitlang aufmerksam, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Was ist denn jetzt?«
Keine Antwort.
»Robert!«, rief Garcia. »Hast du in Littlewoods Apartment irgendwas gefunden? Oder in der Kiste da?«
Hunter griff nach einem Foto und nahm es ab. »Wir müssen runter zu Captain Blake, bevor sie Feierabend macht.«
90
Captain Blake telefonierte gerade, als Hunter und Garcia an ihre Tür klopften.
»Herein«, rief sie, nachdem sie eine Hand über die Muschel gelegt hatte. Als die beiden eintraten, signalisierte sie ihnen, Platz zu nehmen.
Sie blieben stehen.
»Es ist mir völlig gleich, wie Sie das regeln, Wilks, Hauptsache, Sie regeln es. Sie sind der leitende Ermittler, also leiten Sie, verdammt noch mal!« Captain Blake knallte den Hörer auf und kniff sich in die Nasenwurzel, während sie für einen Moment lang die Augen schloss.
Hunter und Garcia warteten schweigend.
»Okay.« Mit einem Stöhnen sah Captain Blake zu ihnen auf. »Bitte sagen Sie mir, dass Sie wenigstens den Hauch einer Spur haben.«
Hunter griff sich in die Brusttasche und zog ein altes, zehn mal fünfzehn Zentimeter großes Foto heraus, das er Blake auf den Schreibtisch legte.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Der Hauch einer Spur«, gab Hunter ohne einen Anflug von Sarkasmus zurück. »Ich habe es in Nathan Littlewoods Wohnung gefunden.«
Garcia trat einen Schritt vor und reckte den Hals.
Captain Blake nahm das Foto in die Hand und starrte es mehrere Sekunden lang an. »Und was zum Geier soll ich hier sehen, Robert?«
»Darf ich mal, Captain?« Garcia streckte die Hand nach dem Foto aus.
Sie gab es ihm. Dann ließ sie sich schwer gegen die Lehne ihres Bürostuhls sinken.
Die Aufnahme war nicht besonders gut, aber sie zeigte eindeutig einen dünnen Mann Mitte zwanzig, der mit einer Flasche Bier in der rechten Hand neben einem Baum stand. Es war ein klarer, sonniger Tag, und der Mann trug kein Oberteil. Seine Haare waren dunkel und lockig. Er grinste und hatte die Bierflasche in Richtung Kamera ausgestreckt, als bringe er gerade einen Toast aus. Garcia hatte ihn schnell erkannt.
»Ein sehr junger Nathan Littlewood«, stellte er fest.
Captain Blake sah Hunter gänzlich unbeeindruckt an. »Kaum verwunderlich, da Sie das Bild in seinem Apartment gefunden haben.«
»Nicht er«, sagte Hunter. »Der andere Mann auf dem Bild.«
Captain Blake warf noch einmal einen Blick auf das Foto in Garcias Hand, dann sah sie Hunter an, als hätte dieser den Verstand verloren. »Reden wir von diesem Bild hier? Falls ja, dann sollten Sie vielleicht mal einen Termin beim Augenarzt vereinbaren, Robert. Da ist nur eine Person zu sehen.«
Garcia suchte bereits den Bildhintergrund nach weiteren Personen ab. Er kannte Hunter gut genug, um zu wissen, dass er etwas gesehen haben musste, was den meisten Menschen entgangen wäre. Aber da war niemand. Littlewood stand ganz alleine neben dem Baum. Im Hintergrund war nichts als Landschaft.
»Schau genau hin«, drängte Hunter.
Jetzt fiel Garcia der Teil eines Arms am rechten Bildrand auf. Aufgrund der Nähe zur Kamera war er unscharf, trotzdem war klar zu erkennen, dass er am Ellbogen abgewinkelt war. Der Großteil des Unterarms befand sich außerhalb des Bildausschnitts.
»Du meinst den Arm?«, fragte Garcia.
Hunter nickte. »Sieh ihn dir an.« Er beobachtete Garcia, wie dieser sich erneut auf das Foto konzentrierte. Seine
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