Totenkünstler (German Edition)
reichte Hunter das erste Blatt. »Sie sind gestern reingekommen, während ihr beide weg wart. Und die Nummern hier …«, sie reichte ihm das zweite Blatt, »… stammen aus Andrew Dupeks Gesprächsnachweisen, die wir uns besorgt haben.«
Hunter musste nicht lange suchen. Alice hatte die betreffenden Nummern angestrichen. Eine ganz bestimmte Telefonnummer tauchte dreimal auf Dupeks und zweimal auf Littlewoods Liste auf.
»Das ist die Nummer einer Escort-Dame. Unabhängig, ohne Agentur«, sagte Alice. »Sie haben beide dieselbe gebucht.«
Alles, was sie dafür erntete, waren skeptische Blicke.
»Escort-Dame?«, sagte Garcia.
»Ganz genau. Sie nennt sich Nicole.« Alice hielt inne und hob den rechten Zeigefinger. »Oder besser gesagt … Sklavin Nicole. Sie bedient eine sehr erlesene Klientel.«
Garcia stellte seinen Kaffeebecher ab. »Okay, ich sehe ja ein, dass wir der Sache nachgehen sollten, wenn Dupek und Littlewood beide dasselbe Callgirl bestellt haben, aber daraus kann man doch nicht automatisch ableiten, dass sie sich kannten.«
»Sie ist kein Callgirl«, korrigierte Alice ihn. »Sie ist eine devote Escort-Dame. Sie bietet eine hochspezialisierte Dienstleistung an. Ihre Worte, nicht meine.«
»Du hast mit ihr gesprochen?« Garcia war baff.
»Gestern Abend.« Alice nickte.
Damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Hört zu, ich wusste doch, dass ihr beide unterwegs wart. Ich bin gestern erst ziemlich spät am Nachmittag über die Information gestolpert, und statt rumzusitzen und zu warten, habe ich eben beschlossen, selbst ein bisschen zu ermitteln. Wie es der Zufall wollte, hatte sie an dem Abend noch Zeit für ein Treffen, und ich konnte mit ihr reden.«
»Wie hast du sie denn zum Reden gebracht?« Garcia wusste aus Erfahrung, dass es nicht leicht war, jemanden aus dem Milieu zu einer Aussage zu bewegen.
»Ich konnte ihr glaubhaft versichern, dass ich weder ein Cop noch eine Reporterin bin, und ich habe ihr mein Ehrenwort gegeben, dass ich nichts von dem, was sie mir sagt, jemals gegen sie verwenden würde.«
»Und das hat funktioniert?«
»Na ja, natürlich gibt es da noch andere Mittel und Wege, die einem Polizisten nicht zur Verfügung stehen.«
»Du hast sie bezahlt«, schloss Garcia.
»Das klappt immer«, gab Alice unumwunden zu. »Was glaubst du denn, wie die Bezirksstaatsanwaltschaft ihre Informanten bei der Stange hält, mit Donuts und heißer Milch? Sie ist eine devote Escort-Dame. Normalerweise verdient sie ihr Geld mit ganz anderen Sachen. Sich fürs Reden bezahlen zu lassen war garantiert ihr bisher leichtester Job. Außerdem hat sie von mir noch eine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte gekriegt. Ich habe ihr gesagt, wenn sie mal einen Anwalt braucht, soll sie mich anrufen. Für jemanden in ihrer Berufsgruppe ist das doch ein verlockendes Angebot.«
Dagegen konnte Garcia nichts einwenden. »Und worüber habt ihr geredet?«
»Davon könnt ihr euch selbst überzeugen.« Alice holte ein Diktiergerät aus dem Aktenkoffer und legte es auf Hunters Schreibtisch. »Ich mache so was nicht zum ersten Mal.« Sie zwinkerte den beiden zu.
Neugierig kamen Hunter und Garcia näher.
»Es kann losgehen«, sagte Alice. »An der Stelle hier habe ich ihr gerade Andrew Dupeks Bild gezeigt.« Sie drückte auf Play.
»Ach ja, Paul, der ist Stammkunde bei mir. Bucht mich so ungefähr einmal im Monat, manchmal mehr, manchmal weniger.«
Die Stimme, die aus dem winzigen Lautsprecher drang, war feminin und sinnlich und stammte von einer Frau in den Zwanzigern; allerdings hatte sie einen harten Beiklang, wie man es bei jemandem aus dem Milieu nicht anders erwartete.
»Paul?«, kam Alices Frage aus dem Lautsprecher.
»So nennt er sich. Klar weiß ich, dass keiner meiner Kunden seinen richtigen Namen benutzt. Aber er hat mir gesagt, er heißt Paul, also sag ich Paul zu ihm. So läuft das eben.« Eine kurze Pause folgte. »Er mag’s gern hart.«
»Hart?«
»Fesseln, knebeln, manchmal verbindet er mir die Augen und schlägt mich ein bisschen … Sie wissen schon, er lässt halt gern den harten Kerl raushängen.« Nicole lachte rau. »Keine Sorge, ich hab auch meinen Spaß dabei.«
Hunter vermutete, dass die letzte Bemerkung eine Reaktion auf Alices bestürzte Miene war.
»Kommt er zu Ihnen?«
»Manchmal. Manchmal bin ich auch bei ihm auf seinem Boot. Oder er mietet ein professionelles Verlies. Es gibt ein paar in L. A. Da ist die Ausstattung besser.«
»Und seit wann ist er schon Ihr …
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