Totenkünstler (German Edition)
Mitgliedschaften in Fitnessclubs oder Vereinen, nach allem, was in irgendeiner Weise schriftlich dokumentiert wurde; allerdings war ihm klar, dass diese Dokumente, selbst wenn es sie einmal gegeben hatte, inzwischen vielleicht nicht mehr aufzufinden wären.
Die Sonne war untergegangen, und ein weiterer frustrierender Tag neigte sich dem Ende zu.
Hunter stieß an seinem Schreibtisch einen müden Seufzer aus. Er stellte die Ellbogen auf die Tischplatte und ließ das Gesicht in die Hände sinken. Zum zigsten Mal war er seine Notizen sowie sämtliche Tatortfotos durchgegangen. Die Schattenbilder kamen ihm sinnloser vor denn je. In seinem Schädel pochte ein Schmerz, der, das wusste er, so schnell nicht wieder verschwinden würde. Sein Kopf schwirrte vor tausend Fragen, und die Antworten schienen in unerreichbarer Ferne.
Was war in den Schatten zu sehen? Ein Kojote und ein Rabe, die einen Lügner entlarven sollten? Ein Teufel, der auf seine vier Opfer herabblickte? Eine Gestalt, die auf jemanden zeigte, der in einer Kiste lag? War es ein Sarg? Sollte das Bild eine Beerdigung darstellen? Sah deshalb das nächste Schattenbild aus wie eine Gestalt, die kniend betete? Oder war es ein Kind? Und wie um alles in der Welt hingen die einzelnen Bilder zusammen?
»Was trinken?«, fragte Garcia von seinem Schreibtisch her.
»Hm?« Hunter hob den Kopf und blinzelte mehrmals.
»Wollen wir was trinken gehen?« Garcia warf einen Blick auf seine Uhr und erhob sich. »In dem Büro hier kriegt man Beklemmungen, außerdem könnte ich schwören, dass ich vor zwei Minuten gesehen habe, wie dir Rauch aus den Ohren kommt. Wir brauchen beide eine Pause. Lass uns was trinken gehen, vielleicht einen Happen essen, und dann legen wir uns schlafen. Morgen sind wir dann wieder frisch.«
Hunter fiel nichts ein, was dagegen sprach. Hätte er Sicherungen im Hirn gehabt, wären die meisten schon vor geraumer Zeit durchgebrannt. Achselzuckend schaltete er seinen Rechner aus.
»Ja. Was trinken. Das klingt jetzt genau richtig.«
95
Die Bar 107 hatte die wahrscheinlich geschmackloseste Innenausstattung in ganz Downtown Los Angeles. Sie lag nur einen Block vom PAB entfernt. Die aus vier Räumen bestehende Retro-Kneipe mit Wänden, die roter waren als das kommunistische Russland, vinylbezogenen Sitznischen und Shabby-Chic-Dekor wurde von vielen für ihre riesige Auswahl an Cocktails und Scotch geschätzt.
Die Bar war gut besucht, aber nicht brechend voll. Hunter und Garcia setzten sich ans hintere Ende der langen lackierten Theke und bestellten je einen zehn Jahre alten Aberlour.
»Sehr gute Wahl«, lobte die Barfrau mit einem einladenden Lächeln. Ihre blonden Haare waren zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt, und die Art, wie ihr einige Strähnen in den Nacken fielen, hatte etwas überaus Anziehendes.
Hunter nahm einen Schluck von seinem Scotch und ließ ihn im Mund kreisen, damit der Hauch von Sherry zur Geltung kam, mit dem der Aberlour aromatisiert war. Der Sherry hob den Geschmack des Whiskys, ohne dass dieser dadurch zu stark nach Wein schmeckte.
Schweigend beobachtete Garcia, wie ein Mann und eine Frau, beide gut gekleidet, an die Bar traten und rasch hintereinander zwei Tequilas tranken. Das Strahlen in ihren Gesichtern verriet ihm, dass sie etwas zu feiern hatten. Dem Mann war anzusehen, dass er die Frau begehrte, aber vermutlich kam er bei ihr nie zum Zug. Ob er an diesem Abend endlich Glück haben würde?
»Wie geht’s Anna?«, erkundigte sich Hunter.
Garcia riss sich von der Betrachtung des fremden Paars los. »Ach, ihr geht’s gut. Sie hat gerade wieder mit irgendeiner komischen Diät angefangen. Du weißt schon – dies nicht, jenes nicht, keine Kohlehydrate nach sieben Uhr abends …« Er schnitt eine Grimasse.
»Das hat sie doch gar nicht nötig.«
»Mir musst du das nicht sagen. Ich versuche ihr das immer wieder klarzumachen. Aber sie hört nicht auf mich.« Er lachte kurz auf. »Sie hört auf niemanden.« Er verstummte und nippte an seinem Whisky. »Sie fragt übrigens andauernd nach dir. Wie es dir geht und so.«
»Ich war erst vor drei Wochen zum Abendessen bei euch.«
»Ich weiß, aber du kennst sie doch. Und sie weiß genau, wenn ich nicht gut schlafe, bedeutet das höchstwahrscheinlich, dass du überhaupt nicht schläfst. Sie macht sich Sorgen, Robert. So ist sie nun mal gestrickt.«
Hunters Lächeln war voller Zärtlichkeit. »Ja, ich weiß. Sag ihr, es geht mir gut.«
»Mache ich doch, aber sie weiß es
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