Totenkünstler (German Edition)
ausgeschaltet war oder dass Derek Nicholson eine Abneigung gegen Klimaanlagen hatte und deshalb die Balkontür zu seinem Zimmer zu dieser Jahreszeit höchstwahrscheinlich offen stehen würde.«
»Was bedeuten muss, dass der Täter das Haus beobachtet hat«, konstatierte Garcia. »Und nicht nur einen Tag lang.«
Hunter wiegte den Kopf hin und her, als sei er mit Garcias Schlussfolgerung nicht ganz einverstanden.
»Du glaubst, da steckt noch mehr dahinter, oder?«, sagte Garcia.
Hunter nickte. »Ich glaube, der Killer war schon mal hier. Ich glaube, der Killer kannte die Familie.«
16
»Und? Können Sie schon sagen, woran es liegt?«, fragte Andrew Dupek den Mechaniker, der sich in der Kajüte seines mittelgroßen Segelboots über die Luke mit dem InnenbordMotor beugte.
Dupek war einundfünfzig Jahre alt. Er hatte volles dunkelblondes Haar, eine breite Brust, starke Arme und einen wiegenden Gang, der jedem signalisierte, dass er sich in einem Faustkampf noch immer zu verteidigen wusste. Die Narbe über seiner linken Augenbraue und die schiefe Nase waren Andenken einer lange zurückliegenden Boxkarriere.
Dupek fieberte das ganze Jahr dem Start des Sommers entgegen. Zwar stimmt es, dass in Los Angeles, wie überhaupt in weiten Teilen Südkaliforniens, fast immer Sommer herrscht, allerdings gelten unter Bootsbesitzern die ersten Wochen nach dem offiziellen Sommerbeginn als die besten zum Segeln. Die Winde sind dann sanfter und besonders zuverlässig. Das Meer ist ruhiger als sonst, das Wasser klarer, und in diesen wenigen Wochen präsentiert sich der Himmel in seiner gänzlich wolkenlosen Pracht.
Dupek reichte alljährlich gleich zu Jahresbeginn seinen Urlaubsantrag ein. Die Zeit war seit zwanzig Jahren dieselbe: die ersten zwei Sommerwochen. Und seit zwanzig Jahren sah auch sein Urlaub immer gleich aus: Er packte ein paar Kleidungsstücke, Proviant und seine Angelausrüstung ein und verschwand für vierzehn Tage in den Weiten des Pazifiks.
Dupek aß keinen Fisch; er mochte den Geschmack nicht. Er angelte rein zum Zeitvertreib und weil es ihn entspannte. Er warf seinen Fang ins Wasser zurück, kaum dass er ihn vom Haken losgemacht hatte, und verwendete ausschließlich Kreisbogenhaken, weil die für den Fisch weniger schmerzhaft waren.
Obwohl er zahlreiche Freunde hatte, segelte Dupek grundsätzlich allein. Er war einmal verheiratet gewesen, vor über zwanzig Jahren. Eines Nachmittags, während er auf der Arbeit war, hatte seine Frau Jane in der Küche einen Herzinfarkt erlitten. Es war alles so schnell gegangen, dass sie es nicht mal mehr bis zum Telefon geschafft hatte. Sie waren erst drei Jahre verheiratet gewesen. Dupek hatte nie gewusst, dass sie einen Herzfehler hatte.
Janes Tod hatte ihn in eine tiefe Krise gestürzt. Für Dupek war sie die Einzige gewesen. Von dem Tage an, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er gewusst, dass er mit ihr alt werden wollte. Die ersten zwei Jahre nach ihrem Tod waren die reinste Qual gewesen. Mehr als einmal hatte Dupek mit dem Gedanken gespielt, seinem Leben ein Ende zu setzen, damit er wieder mit Jane vereint sein konnte. Er hatte sogar eigens eine Kugel, ein 38er Hohlspitzgeschoss, dafür zurückgelegt. Doch er hatte den letzten Schritt nie getan. Stück um Stück war es ihm gelungen, sich aus seiner Depression zu befreien. Aber er hatte nie wieder geheiratet, und es verging kein Tag, an dem er nicht an Jane dachte.
Tags zuvor hatte offiziell der Sommer begonnen, und Dupek hatte geplant, noch an diesem Nachmittag Segel zu setzen. Doch als er seinen 29-PS-Dieselmotor hatte anwerfen wollen, hatte dieser lediglich ein paar Mal gehustet und gerasselt und war dann abgesoffen. Dupek hatte es erneut versucht, aber der Motor wollte einfach nicht anspringen. Andere Segler hätten vielleicht beschlossen, auch mit defektem Motor in See zu stechen – schließlich war es ein Segelboot –, aber das wäre purer Leichtsinn gewesen, und wenn Dupek eins nicht war, dann leichtsinnig.
Aber er hatte Glück im Unglück gehabt. Er hatte schon seinen Stamm-Mechaniker Warren Donnelly anrufen wollen, als ein fremder Mechaniker, der gerade mit dem Boot nebenan fertig geworden war, seinen Motor wie einen sterbenden Hund röcheln hörte und fragte, ob er Dupek helfen könne. Der Mann sah ein bisschen jung aus, aber Dupek sollte es recht sein. So würde er mindestens zwei Stunden sparen, wenn nicht sogar mehr.
Nun schraubte der Mechaniker schon seit fünf Minuten an seinem kleinen
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