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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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übernommen hatte. Die Anleger hatten ihm die Beteiligungen an dem Fonds förmlich aus den Händen gerissen.
    Marie ging zu dem modernen Schreibtisch am Ende des Zimmers. Dahinter hing das einzige Bild, ein großes abstraktes Gemälde. Sie setzte sich in Rolands schwarzen Ledersessel und ließ den Blick über die Unterlagen auf der Glasplatte wandern. Den aufgeschlagenen Terminkalender konnte sie außer Acht lassen. So dumm, Termine mit seiner Geliebten einzutragen, war Roland nicht. Die Hochglanzbroschüren und Baupläne waren uninteressant. Der Notizblock war noch unbeschrieben. Blieb der Computer.
    Marie zog die Tastatur zu sich heran und schaltete den Rechner ein. Dann dachte sie nach. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Büro war sie nicht mehr ins Programm eingestiegen. Wenn Roland nun das Passwort geändert hatte? Sie tippte eine Zahlenkombination und wartete. Der Bildschirm öffnete sich und zeigte einen goldenen Sonnenaufgang am See. Make your dreams come true. Tatsächlich, das Gründungsdatum der Firma war noch immer der Schlüssel.
    Als Erstes überflog Marie die E-mails, konnte aber nichts Verdächtiges finden. Geschäftsmitteilungen und ein paar private Anfragen zu einem Drink oder einer Golfrunde. Marie schloss das Programm. Jetzt wurde es spannend. Die Bank. Den Stand des gemeinsamen Haushaltskontos kannte sie natürlich. Aber für ihre Forderungen in einer Scheidung war Rolands tatsächliches Vermögen ausschlaggebend.
    Über Telebanking stieg Marie ein und kam direkt auf das Geschäftskonto der »Austria Immo Development«. Sofort schaute sie auf den Saldo.
    »Das darf doch nicht –«
    Ohne nachzudenken, hatte Marie laut gesprochen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Das Konto war gerade noch im Plus. Sie schluckte. Das konnte nicht sein. Hektisch ging sie die letzten Transaktionen durch, verglich Eingänge und Ausgänge, bis die Zahlen vor ihren Augen verschwammen. Sie biss die Zähne zusammen. Aber am Ende wusste sie nur eines. Jede größere Summe war sofort auf ein neues Konto bei der Credit Suisse transferiert worden. Und da waren die Bareinzahlungen und das Schwarzgeld noch gar nicht dabei. Sofort gab Marie die Nummer des Schweizer Kontos ein. Aber sie bekam keinen Zugriff. Das Konto lief nicht über diesen Computer.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Ihr Gefühl hatte sie also nicht getrogen. Aber ihre Lage war ernster als erwartet. Roland war ihr zuvorgekommen. Das ganze Vermögen war in der Schweiz oder in Liechtenstein oder sonst wo. Und sie hatte keinen Unterhaltsanspruch. Roland wurde nicht müde, dieses Argument in jedem Streit wie eine Waffe zu verwenden. Im Fall einer Scheidung würde sie mit leeren Händen dastehen. Die Gegensprechanlage piepste. Mechanisch drückte Marie auf den Knopf.
    »Ja …?«
    »Finden Sie alles, was Sie brauchen?« Jessicas Stimme war professionell höflich. Vielleicht musste sich Marie ja selbst bald wieder um einen Sekretariatsposten umsehen.
    »Danke, Jessica, aber ich fürchte, ich kenne mich mit diesem neuen Computerprogramm überhaupt nicht aus.«
    »Soll ich Ihnen helfen? Vielleicht hat der Chef ja schon irgendwo eine Gästeliste …«
    »Nein, nein, danke. Mir ist gerade noch eine Idee fürs Buffet gekommen. Ich frage später einfach meinen Mann.«
    »Wie Sie wünschen.« Die Anlage verstummte.
    Marie schwang den Drehstuhl herum und starrte auf das moderne Gemälde. Es leuchtete in Grün und Gelb. Darüber liefen aggressive rote Linien. Als hätte jemand in die Leinwand gestochen und nun würde Blut aus dem Inneren des Bildes quellen. Es war ein echter Schwarzenberger. Roland hatte das Bild letzten Sommer bei einer Festspielvernissage ersteigert. Kurz darauf war der Maler ums Leben gekommen. Jetzt war das Bild mindestens das Doppelte wert. Man konnte auch am Tod verdienen.
    Marie drehte sich wieder zum Schreibtisch um. Um nichts zu übersehen, zog sie die Schubladen auf. Keine war verschlossen oder enthielt Geheimnisse. Sie schob die Laden wieder zu. Dann schloss sie mit einem schnellen Klick das Telebanking-Programm. Es hatte sowieso keinen Sinn. Nur um wirklich nichts zu übersehen, öffnete sie noch ein paar Ordner. Wie erwartet waren alle leer. Roland hatte sie auf einer externen Festplatte gespeichert.
    Gerade als sie den Computer ausschalten wollte, stach ihr ein Name ins Auge. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie ihn schon einmal gehört hatte. Aber dann dämmerte es ihr, und sie drückte die Eingabe-Taste. Der

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