Totenkult
holen.
Das Auto war ein weißes Porsche-Cabrio mit roten Ledersitzen. Während der ganzen Fahrt zum Schloss musste Bosch die Pläne gegen den Fahrtwind festhalten. Der Motor dröhnte irgendwo hinter seinem Kopf, sodass eine Unterhaltung nicht möglich war. Aber Frau Aschenbach kannte den Weg ohnehin genau. Mit flatterndem Haar, eine riesige Sonnenbrille auf der Nase, die ihr das Aussehen einer monströsen Fliege gab, brauste sie sportlich in Richtung Mondsee. Dann bog sie scharf nach Fürberg ab, und der Sportwagen schoss die schmale Bergstraße hinauf. Bosch, der keinen Führerschein besaß, hielt die Luft an. Erst als der Porsche mit brummendem Motor im Schlosshof stand, wagte er aufzuatmen.
»Ja, dann … vielen Dank«, sagte er und legte den Zeigefinger um den Türgriff. »Vielleicht können wir den Kaffee ja mal nachholen.«
»Sieht aus wie eine Kirche.« Frau Aschenbachs Blick wanderte die neugotische Fassade hinauf und blieb an den teuflischen Fratzen der Wasserspeier hängen, die unter dem ausladenden Dach kauerten. Die Augen der Dämonen quollen aus den Höhlen, und ihre Hörner zeigten auf die Neuankömmlinge. Zungen wanden sich zwischen den spitzen Zähnen. »Wie beim Glöckner von Notre-Dame. Und das Juwel wollen Sie umbauen? Ewig schade drum.«
»Die Umbauten beschränken sich auf den Innenbereich.« Bosch hob die Pläne hoch. »Da entsteht eine Art Völkerkundemuseum. Außen bleibt alles beim Alten.« Er stieß die Beifahrertür auf und stieg aus. »Also dann, gute Fahrt und noch mal vielen Dank.« Er schlug die Tür zu.
Frau Aschenbach stellte den Motor ab. »Ein Museum? Ich glaube, meine Maklerin hat so was erwähnt …«
»Ja.« Bosch warf einen Blick zur Eingangstür. »Das Schloss hat ein berühmter Forscher gebaut, Thibeault de Mortin. Seine ganzen Expeditionsschätze lagern dort und sollen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.«
»Nein – was für Expeditionsschätze denn?«
Bosch zuckte mit den Schultern. »Chinesisches Porzellan …«
»Ich liebe Chinaporzellan.« Frau Aschenbach schob sich die Sonnenbrille wie einen Haarreifen auf den Kopf. »Wissen Sie, was ich mich gerade frage?« Sie strahlte ihn an. »Ob ich da wohl mal reinkann?«
Bosch suchte gerade nach einer höflichen Ausrede, als die Eingangstür quietschte. Henri de Mortin, in grünem Polohemd und Khakihose und eine Zeitung in der linken Hand, stand im Türrahmen.
»Hans, mon cher , ich habe den Motor bis in den Garten gehört.« Er kam auf den Sportwagen zu. Der Kies knirschte lauter unter dem Schuh, den er ein wenig nachzog. »Oh, und Sie haben Madame mitgebracht … welch eine Freude.«
Ehe Bosch eine Antwort geben konnte, war Frau Aschenbach auch schon ausgestiegen. Lächelnd streckte sie dem Schlossherrn den Arm entgegen.
Er ergriff ihre Hand, beugte sich darüber und deutete einen Handkuss an. »Madame …«
Frau Aschenbach neigte den Kopf.
Bosch räusperte sich, so laut er konnte. »Henri, darf ich Ihnen meine Nachbarin vorstellen, Frau Aschenbach. Sie war so nett, mich heraufzufahren.« Und fährt jetzt gleich wieder nach Hause, fügte er in Gedanken hinzu.
»Wie?« Henri hielt die Hand der Aschenbach weiter umschlossen. »Ich habe den Namen nicht richtig verstanden. Mein Gott, ich werde wirklich schwerhörig.«
»Marie Aschenbach.« Boschs Nachbarin setzte ihre Sonnenbrille wieder auf die Nase. »Wir sind gerade in den Brunnwinkl gezogen, mein Mann und ich. Roland Aschenbach, sicher haben Sie schon von ihm gehört?« Sie hob das Kinn. »Austria Immo Development?«
»Sollte ich?« Henri legte den Kopf auf die Seite, als durchforste er sein Gedächtnis. Dann lachte er. »Nein, tut mir leid, nie gehört.« Er fasste nach Marie Aschenbachs Ellenbogen. »Aber dafür kenne ich ja jetzt Sie, Madame. Sie machen doch sicher zwei alten Herren die Freude, mit ihnen eine Tasse Tee zu trinken. Nicht wahr, Hans?«
Bosch wusste nicht, worüber er sich mehr ärgern sollte. Darüber, als alter Herr bezeichnet zu werden, oder über das dreiste Manöver dieser Aschenbach. »Ja, hoffentlich.«
»Gehen wir doch direkt in den Garten«, meinte Henri.
Wie bei der ersten Begegnung mit Bosch hakte sich Henri nun bei seinem neuen Gast unter. Er führte Frau Aschenbach zu einem mit Efeu umrankten Torbogen auf der Seeseite, wobei er immer wieder mit der Zeitung in Richtung der Schlossfassade wedelte. Die Aschenbach nickte wie ein Schaukelpferd. Dazu schien sie ununterbrochen zu reden. Offenbar heuchelte sie
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