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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Blick zu. Ihr Outfit war elegant, aber einem Sommertag auf dem Land angemessen, gleichzeitig businesslike und sehr weiblich.
    Marie nahm ihre große Handtasche und holte die Gartenbücher aus der Küche. Dann schloss sie sorgfältig die Haustür ab und ging zu dem schwarzen Porsche, der auf dem Vorplatz stand.
    Sie warf die Tasche und die Bücher auf den Beifahrersitz, klemmte sich hinter das Lenkrad und drehte den Zündschlüssel. Nichts geschah. Das Auto sprang nicht an. Das war so ungewöhnlich, dass sie ein paar Sekunden brauchte, um sich der Tatsache überhaupt bewusst zu werden.
    Marie probierte es erneut. Nichts. Nicht einmal das leiseste Geräusch. Als wäre unter der nachtschwarzen Haube gar kein Motor. Sie ließ die Hände in den Schoß sinken.
    Und was jetzt? Sie hatte seit Jahren keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt. Und heute war sicher nicht der Tag, um sich mit in Sonnenöl frittierten Urlaubern in einen Linienbus zu quetschen. Wenn es denn nach Fürberg überhaupt einen gab.
    Marie stieg aus und warf einen Blick auf das Zifferblatt ihrer goldenen Rolex. Die Brillanten versprühten blaugelbes Feuer im Sonnenlicht. Noch nicht einmal elf. Wenn sie einen Spaziergang machte, wäre sie um halb zwölf im Schloss. Genau richtig für die Führung. Außerdem würde sie sich schon im Voraus die Kalorien für das Mittagessen abtrainieren. Sie angelte ihre Handtasche und die Bücher vom Beifahrersitz und machte sich beschwingt auf den Weg nach Fürberg.
    Vierzig Minuten später, das Schlosstor endlich vor Augen, bereute sie, den Bücherstapel mitgenommen zu haben. Die Dinger waren verdammt schwer. Aber zum ersten Mal fielen ihr die Worte auf, die in Stein gemeißelt über dem Tor standen. Scientia potentia est. Marie wusste nicht, was sie bedeuteten – sie konnte kein Latein –, fand aber den Platz für einen netten Willkommensspruch gut gewählt. Sie balancierte über den kiesbestreuten Vorplatz, stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf und zog kräftig an einem rostigen Seilzug, der anscheinend die Klingel ersetzte. Auch sehr stilvoll.
    Während sie dem verklingenden Glockenspiel nachlauschte, ließ sie den Blick die Schlossfassade hinaufwandern. Die Fratzen der Wasserspeier beugten sich über verbogene Regenrinnen und schienen jeden Ankömmling in Augenschein zu nehmen. Gespaltene Zungen lugten zwischen den spitzen Zähnen hervor. Mit einem leichten Schauder senkte Marie den Kopf.
    Im Inneren des Schlosses waren Schritte zu hören. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Cesario, Henris Diener, starrte ihr entgegen. Er trug Jeans und ein am Hals offenes weißes Hemd. Um seinen Hals lag eine Lederkette, in die bunte Federn geflochten waren. Der junge Mann wirkte eher wie der weltenbummelnde Sohn des Hauses als wie der Laufbursche.
    »Grüß Gott, Cesario.« Marie trat auf die oberste Stufe, in der Erwartung, dass der Diener ihr den Weg freigeben würde. »Ich nehme an, Herr de Mortin hat Sie über mein Kommen informiert.« Sie hob den Bücherstapel, damit er ihn ihr abnehmen konnte.
    Er bewegte sich nicht. Sein Gesicht war dunkel wie Bronze, und auch seine schweren Gesichtszüge schienen wie in Metall gegossen. Henri hatte recht, Cesario war kein geborener Empfangschef. Marie stützte die Bücher auf ein Knie, kramte die elfenbeinfarbene Einladungskarte aus ihrer großen Handtasche und hielt sie dem Diener unter die Nase.
    »Hier, die Schrift werden Sie wohl kennen, oder?«
    Ein kurzes Zucken der Brauen war die einzige Antwort.
    Wahrscheinlich konnte dieser Eingeborene nicht einmal lesen. »Chef?«, fragte Marie so laut, als wäre der Mann auch schwerhörig.
    Cesarios Blick tastete sich über ihre Gestalt, dann schaute er flüchtig auf die Karte. Endlich verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen, und er trat zur Seite.
    »Na endlich.« Marie betrat die halbdunkle, aber angenehm kühle Schlosshalle. »Also, guter Mann, dann führen Sie mich mal zu Ihrem Boss.«
    Cesario kratzte sich am Ohr und machte ein dümmliches Gesicht. Deutsch sprach er also auch nicht.
    »Chef?«, fragte Marie. »Wo ist Chef? Herrgott noch mal, das gibt’s doch nicht.«
    In den schwarzen Augen des Dieners glitzerte es. Anscheinend hatte er endlich begriffen. Er streckte den rechten Arm wie ein Verkehrspolizist aus und zeigte in den Gang hinein, der sich an die Halle anschloss. Sollte sie etwa führerlos durch das alte Gemäuer laufen? Aber hier war jedes weitere Wort verschwendet. Zum Glück war sie als gebürtige

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