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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Salzburgerin von klein auf gewohnt, mit Ausländern zu kommunizieren. »Mozarts Geburtshaus geradeaus«, konnte sie in vier Sprachen sagen. Akzentfrei, wie man ihr schon bestätigt hatte.
    »Da lang?«, sagte sie, zog fragend die Augenbrauen hoch und betonte sorgfältig jedes Wort. »Ja? Chef, ja? «
    Cesario drehte sich um und schloss die Tür.
    Marie ersparte sich einen Seufzer. »Na gut«, sagte sie und packte ihre Handtasche fester. Dann ging sie auf gut Glück in die angegebene Richtung.
    Ihr Weg führte sie durch ein Spalier von Glaskästen, deren Scheiben dringend geputzt werden mussten und in denen geschmacklose Tonfiguren standen. Mit weit aufgerissenen Mündern glotzten sie Marie an. Niemand würde auch nur einen Cent bezahlen, um diese Art von Kunst anzuschauen. Auch die Schiffsbilder in ihren abblätternden Rahmen, die zwischen den Vitrinen hingen, hatten schon bessere Zeiten gesehen. So etwas fand sich auf jedem Flohmarkt. Und was war das für ein riesiger Fächer aus türkisfarbenen Federn? Das Ding erinnerte irgendwie ans Moulin Rouge. Der alte Weltreisende, dieser Tibo, schien ein Bonvivant mit einem Faible für Pariser Revuegirls gewesen zu sein. Oh, là, là.
    Eine Doppelflügeltür stand halb offen. Dahinter konnte Marie mit Bücherregalen bedeckte Wände erkennen. Erleichtert stellte sie fest, dass sie hier bei ihrem ersten Besuch schon gewesen war, und ging auf die Bibliothek zu.
    Henri de Mortin stand am Fenster und starrte mit auf dem Rücken verschränkten Händen hinaus. Der See war hier so nah, dass es aussah, als schlüge das Wasser an die Scheiben. Vom Sonnenlicht reflektierte Wellen liefen über die Wände. Wie durch Zauberhand schien die ganze Bibliothek auf den Grund des Sees versetzt.
    Marie klopfte an die Tür. »Henri?«
    Sofort drehte sich der Schlossherr zu ihr um. Seine vorstehenden Froschaugen und der breite Mund gaben ihm in dieser Umgebung das Aussehen eines Wassermannes. »Ah, Madame. Treten Sie ein. Wo ist denn Cesario?«
    »Der hat mir nur den Weg gezeigt.« Marie legte die Gartenbücher auf den Kamintisch neben eine große Glaskugel. Ihr Arm war schon ganz lahm, und eigentlich hätte es sich gehört, dass Henri ihr entgegengegangen und den ganzen Stapel abgenommen hätte. »Wahrscheinlich musste er nach unsrem Essen sehen.« Sie ging zum Fenster hinüber und hielt ihm ihre Hand unter die Nase.
    Sofort ergriff Henri ihre Fingerspitzen und deutete einen Handkuss an. Dann verschränkte er wieder die Arme hinter dem Rücken. »Cesario ist ein ausgezeichneter Koch«, meinte er. »Auch wenn er in Österreich auf die Zubereitung seiner heimatlichen Spezialitäten verzichten muss.«
    »Ach, schade.« Marie hätte nichts gegen ein paar Tapas als Vorspeise gehabt. »Was kocht er denn so?«
    »Meerschweinchen. Sie werden allerdings gebraten.«
    »Gebraten?« Marie lachte unsicher. Da hatte sie sich wohl verhört. »Nicht Ihr Ernst, oder?«
    »Mein voller Ernst.« Henris Glupschaugen richteten sich auf die Tür. Anscheinend war sein Interesse an Küchengeheimnissen begrenzt. »Ich hoffe, Cesario hat Sie ohne Umstände hereingelassen?«
    Marie, noch immer etwas schockiert, zog die elfenbeinfarbene Karte aus der Tasche und wedelte damit durch die Luft. »Ich hatte zum Glück meine Eintrittskarte mit.« Obwohl dieser Cesario die Einladung kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Was sie eben gehört hatte, machte ihn ihr nur noch unsympathischer. Aber es war ja schließlich nicht ihr Personal.
    Auf Henris Gesicht erschien ein Lächeln. »Gut gemacht. Cesario spricht nur Spanisch, und da kommt es manchmal zu Missverständnissen. Unser Männerhaushalt ist nicht immer sehr gastfreundlich.« Seine Mundwinkel zuckten, als amüsierte ihn eine Erinnerung. »Wollen wir gleich mit unserer Führung beginnen? Haben Sie sich schon ein wenig mit der Anlage des Schlosses vertraut machen können?«
    Natürlich nicht, wozu auch. »Leider nein.« Henri hob die Brauen, und Marie setzte eilig hinzu: »Aber das werde ich so bald wie möglich nachholen.« Sie musste ihn bei Laune halten, damit er es sich nicht noch anders überlegte.
    »Das macht gar nichts.« Henri klang erfreut. Offensichtlich schätzte er unvoreingenommene Besucher. »Die Bauarbeiten haben nämlich viel Neues ans Tageslicht gebracht. Kommen Sie, ich kann kaum erwarten, es Ihnen zu zeigen.«
    Henri hinkte zur Tür. Sein braunes Polohemd spannte über den breiten Schultern, und die kräftigen Arme schwangen im Takt seiner Schritte, als versuchte

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