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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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garantierten, brauchte. Der See war zum Antrieb seiner Kreativität geworden. Bosch war ihm verfallen. Er konnte ihn nicht verlassen, und wenn er es täte, würde er immer wieder zurückkehren müssen. Viele Künstler vor ihm, Maler und Schriftsteller, waren zur Arbeit ins Salzkammergut gekommen. Vielleicht hatten sie das Gleiche gefühlt wie er.
    Bosch starrte lange auf das Wasser. Der Hund war in seinen Armen eingeschlafen, und sein Körper strahlte eine tröstliche Wärme aus. Was sollte aus ihm werden, wenn Bosch in die Stadt zurückkehrte? Bosch konnte die Enge seiner Zwei-Zimmer-Wohnung am Papagenoplatz fast körperlich spüren, die schmalen Gassen der Altstadt, durch die nie ein Windhauch strich, und die staubigen Hörsäle. Das war kein Leben für ein Tier. Und für einen Menschen eigentlich auch nicht.
    Bosch umfasste den Hund fester. Das dunkle Ufer von Fürberg zeichnete sich als schwarze Linie vom silbernen Wasser ab. Im Schloss waren zwei Fenster erleuchtet. Henri war ebenfalls wach. Im Wald über der Falkenwand flackerte ein Licht, das Bosch noch nie aufgefallen war. Vielleicht saß Cesario dort nachts am Lagerfeuer und träumte von seiner Heimat.
    Bosch hatte Henris Warnung nicht ernst genommen. Jetzt wusste er es besser. Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, dass Frau Aschenbach nachts in sein Haus einbrach, seine Arbeit zerstörte und seinen Hund mit einem schweren Stein ertränken wollte. Und die Aschenbach war doch ebenfalls Opfer einer Messerattacke geworden. Es war nur ein seelenloses Auto gewesen, doch sie hing bestimmt an dem Cabrio. Der Tod ihres Mannes war jedenfalls kein plötzliches Herzversagen gewesen. Davon war Bosch jetzt überzeugt. Und er wusste nun auch, dass der Mörder ihn loswerden wollte. Offensichtlich stellte er eine Gefahr für den Täter dar, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, weshalb.
    Bosch fiel das Steak ein, das er von Aschenbachs Gartenfest mitgenommen hatte. Am nächsten Tag war sein Hund sterbenskrank gewesen. Aber in der schwülen Hitze eines aufkommenden Gewitters verdarb Fleisch eben leicht. Sollte er die Polizei wegen des Einbruchs rufen? Nein, da hatte Henri recht. Sie würden sich mit ihren Spekulationen nur lächerlich machen. Zwei verschrobene Wissenschaftler auf Mörderjagd. Der Hund knurrte im Schlaf und streckte sich.
    Bosch dachte an die verstümmelte Leinwand auf der Veranda, sein Narrenschiff, das er demnächst nach London hatte schicken wollen. Es hätte ein Meilenstein auf dem Weg in seine Unabhängigkeit vom Universitätsbetrieb sein sollen. In die Freiheit, in der er arbeiten konnte, an was und wann und wo er wollte. Bosch biss die Zähne zusammen.
    Schon einmal wäre seine Karriere als Maler fast gescheitert, als sein Studienfreund Franz Schwarzenberger die Galerie, die sich für Boschs Bilder interessierte, überredet hatte, ihm statt Bosch eine Chance zu geben. Es hatte Bosch um Jahre zurückgeworfen. Auch, so gestand er sich inzwischen ein, weil er sich beleidigt zurückgezogen hatte. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er nachgefragt und auf seinem Vertrag bestanden hätte.
    Bosch packte das Hundefell so fest, dass der Hund im Schlaf knurrte. Auf einmal hatte er keine Angst mehr. Natürlich könnte er sich ein neues Quartier suchen. Wahrscheinlich würde sich sogar Henri freuen, wenn er ihm Gesellschaft leistete. Für einen kurzen Moment schien ihm die Idee verlockend. Er würde auf dem Schloss über dem Wolfgangsee residieren, mit Henri gelehrte Gespräche in der Bibliothek führen und sich von Cesario bedienen lassen. Aber er verwarf den Gedanken gleich wieder. Rückzug, das hatte ihn die Geschichte mit Franz gelehrt, war keine Lösung.
    Nein, Bosch würde wachsam sein, aber er würde sich um keinen Preis vertreiben lassen. Hier wollte er diesen Sommer lang leben, hier konnte er arbeiten. Diesmal würde er sich nicht geschlagen geben, sondern um sein Recht kämpfen. Schluss mit den Übergriffen auf sein Leben, seine Bilder und seinen vierbeinigen Freund.
    Da erlosch im Schloss das Licht. Die kirchenähnliche Silhouette verschmolz mit dem Wald. Nur durch die Bäume über der Falkenwand fiel noch schwacher Lichtschein und zauberte ein goldenes Fischernetz auf das Wasser des Sees.
    Bosch schob den Hund vom Schoß, der diesen unfreundlichen Akt mit einem Brummen quittierte, und stand auf. Der gezackte Stein am Ende des Steges sah wie ein mittelalterlicher Morgenstern aus.
    »Zeit, schlafen zu gehen.«
    Der Hund riss die

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