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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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haben.
    Da, als hätte Cesario ihren Blick gespürt, ließ er die Hände sinken und schaute zu ihrem Fenster hoch. Die breite Hutkrempe beschattete seine Augen, aber Marie hatte das bedrückende Gefühl, als starrte er sie an. Vielleicht war Cesario auch für die Sicherheit seines Chefs zuständig und hatte Befehl, Besucher nie aus den Augen zu lassen. Möglicherweise musste Henri ja bewacht werden.
    »Darf ich Sie was fragen?« Marie drehte sich um.
    Henri zog eine Braue hoch. »Nur zu.«
    »Warum haben Sie eigentlich keine Haushälterin aus dem Ort? Nur diesen – tut mir leid, wenn ich das so sage – diesen gespenstischen Mann?«
    »Wie gesagt, Cesario spricht kaum Deutsch. Das reduziert seine Möglichkeiten, am hiesigen Dorfklatsch teilzunehmen, auf ein Minimum.« Henri schob die Hände in die Taschen seiner Khakihose. »Außerdem hat er Verständnis für mein Zigeunerleben. Die Vorstellung von einer Frau, die mit dem Essen auf mich wartet, hat keinerlei Reiz für mich, Madame.« Der leise Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Hatte es übrigens nie.«
    »Ah.« Marie überlegte kurz, ob sie das als Frau persönlich nehmen sollte, entschied sich dann aber angesichts seiner sonst so tadellosen Umgangsformen dagegen. »Aber Cesario kauft doch auch für Sie ein, oder?«
    Henri zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie er das anstellt, aber er bringt immer das Gewünschte. Genug der Haushaltsfragen – wollen wir weitergehen?«
    Irgendwo fiel eine Tür krachend zu.
    Marie warf noch einen schnellen Blick aus dem Fenster, aber Cesario war verschwunden. »Ja, gern.«
    Die Schlossführung erwies sich als durchaus interessant, zeigte sie doch, welches Potenzial in dem alten Bau steckte. Aber das Ganze war sterbenslangweilig, weil Henri sie an unzähligen alten Exponaten vorbeiführte, ohne seinen wissenschaftlichen Vortrag auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Als sie sich schon fragte, nach wie vielen Kriegermasken, ausgestopften Paradiesvögeln und vergilbten Fotos sie wohl auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen kommen könnte, blieb Henri neben einem Podest stehen, auf dem ein großer geschnitzter Affe saß und einen Säbel schwang. Er drehte sich zu Marie um. Die Messerschneide hing wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf.
    Henri hob den rechten Zeigefinger und blinzelte ihr mit einem Glupschauge zu. »Und nun, Madame, kommen wir zum ältesten Teil des Schlosses«, flüsterte er, als offenbarte er ein Geheimnis, das er nicht mit jedem teilte. Nur sie, Marie, war dessen würdig. »Sie werden staunen.«
    »Wie überaus faszinierend.« Ewig hielt Marie das nicht mehr durch. Sie mussten schon mindestens eine Stunde unterwegs sein. Am Anfang ihres Rundganges hatte sie noch versucht, sich Himmelsrichtungen und malerische Ausblicke zu merken, aber irgendwann hatte sie aufgegeben. Die vielen Zimmer verwirrten sie, und im Labyrinth der verzweigten Gänge hatte sie Orientierung und Zeitgefühl verloren. »Aber wird Cesario nicht mit dem Essen auf uns warten?« Das war diplomatisch und zugleich ein Wink mit dem Zaunpfahl.
    »Ach was.« Henri winkte ab. »Wenn Cesario an etwas gewöhnt ist, dann ans Warten.«
    »Dann ist es ja gut«, sagte Marie am Rande der Verzweiflung. »Aber ich habe einen Riesenhunger.«
    »Nur noch ein paar Minuten.« Henris Stimme schmeichelte wie die eines Kindes, das wusste, dass niemand das Herz hatte, ihm die Bitte abzuschlagen. Offensichtlich war der alte Schlossteil der Höhepunkt der Führung.
    »Was ist es denn?« Marie gab auf, konnte aber nichts dagegen tun, dass ihre Stimme unwirsch klang. Der Blick des bewaffneten Affen machte sie nervös.
    Henri sagte: »Die Felsenkapelle natürlich.«
    »Was heißt ›die Felsenkapelle natürlich‹?« Anscheinend gab es im Schloss noch Räume, die sie bisher nicht berücksichtigt hatte. Das war ja hochinteressant.
    »Wir haben sie endlich gefunden.« Er strahlte sie an. »Die Kapelle war in den alten Plänen eingezeichnet, aber niemand kannte den Zugang. Vor ein paar Tagen haben die Bauarbeiter versehentlich eine Wand eingerissen, und voilà – da war sie.« Wie ein Magier, der gerade das weiße Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert hatte, breitete er die Hände aus.
    Marie schenkte ihm ein charmantes Lächeln. »Bin schon ganz gespannt.« Sie wollte gerade weitergehen, als sie ein Luftzug im Rücken traf. Rasch drehte sie sich um. Aber hinter ihr war niemand. Irgendwo war wohl ein Fenster geöffnet oder geschlossen worden.

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