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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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Ermittlungen auf Effektivität, Tempo und die saubere Einhaltung der
Dienstvorschriften. Was nicht hieß, dass ihr das Mitgefühl fehlte. Aber im
Gegensatz zu Fehrle hatte sie irgendwann Feierabend. Sie war alleinerziehende
Mutter, allein zuständige Tochter und außerdem hatte sie eine Wochenendbeziehung
zu Fehrles Bruder Hans. Sie hatte schon gemerkt, dass Timo das nicht passte. Es
schadete ihrer Arbeitsbeziehung, es förderte die Allergien der Tochter und
schürte Mutters Demenz. Auch war nicht zu überhören, was er von
Ganztagesschulen und Altersheimen hielt. Er glaubte, Anita würde sich viel zu
wenig um Bonnie und um ihre Mutter kümmern. Zwar kamen beide wunderbar zurecht,
aber Fehrle war beharrlich der Meinung, dass Tagesmütter und Altenpfleger
schädlich waren. Sie konnten niemals die Aufopferungsbereitschaft der
weiblichen Mitglieder der leiblichen Familie zeigen! Anita war entsetzt, wie
altmodisch er war. Er war noch keine 40 und wurde jeden Tag konservativer. Seit
er sich von seiner Frau trennte, fiel es noch mehr auf, weil er offen über
seine Ansichten redete. Vermutlich passte es überhaupt nicht zu seinem
Selbstbild, dass seine Ehe scheiterte.
    Anita Wolkenstein war Mitte 40 und hatte schon vieles
erlebt. Das hinterließ allmählich Spuren. Bis vor Kurzem hatte sie wie 37
ausgesehen. Damit war es vorbei. Aufs Mal war sie quasi zehn Jahre gealtert.
Sie hatte seit Wochen zu wenig gegessen, ihr schwarzer Hosenanzug schlotterte.
Ihr Vogelgesicht wurde immer spitzer, sie wirkte abgekämpft. Erst hatte es die
Augenpartie erwischt, dann den Hals, und nun waren Bauch-Beine-Po dran. Zwar
hatte sie immer noch Glück, dass sie nicht fett wurde, aber das Bindegewebe gab
den Geist auf. Vorher war sie schlank gewesen, jetzt wirkte sie mager. Faltig
war sie wie ein Sack. Bald kam sie in die Wechseljahre, und von da an ging es
definitiv abwärts. Anita hatte nicht gedacht, dass es ihr etwas ausmachen
würde, alt zu werden. Da hatte sie sich geirrt, denn es bedeutete, jeden Tag
ein bisschen mehr Abschied zu nehmen. Abschied von all den Wahlmöglichkeiten
und Perspektiven, die man sowieso nicht hatte. Aber mit 35 konnte man noch so
tun, als ob. Ein neuer Mann, ein zweites Kind, ein Auslandsjahr. Den Job
hingeschmissen, nochmal neu angefangen. Egal, wie oder wo. Einfach raus aus
seiner Haut, rein in ein anderes Leben, wo es Sex gab und Babys und tonnenweise
Krabben und Champagner. Weg vom Tod. Weg von den Gewalttaten, vom alltäglichen
Irrsinn. Einen Mann wieder erotisch finden können. Nacktsein ganz ohne Leiche.
Aber stattdessen marschierte man immer schneller auf den eigenen Tod zu, auf
den Moment, wo man selber kalt und nackt unter einem Tuch lag und anfing zu
stinken. Daran änderte der lausbubenhafte Hans mit seiner Ökolandwirtschaft,
dem Leichtsinn und den vielen Viechern leider gar nichts. Immerhin bot er
Ablenkung und eine Ahnung dessen, wie es sein könnte oder hätte sein können,
als die Uhr noch nicht abgelaufen war.
    Anita strich das braune Haar nach hinten. Sie saß
kerzengerade an ihrem Schreibtisch und sah die beiden Berichte durch, die sie
noch ans BKA weiterzuleiten hatte. Erst zwei Wochen zuvor hatte sie ihren
letzten Fall abgegeben, wo es um den Mord an einem ehemaligen Kollegen ging;
sie hatte eine Menge aufzuarbeiten und keine Lust, schon wieder eine neue
Ermittlung zu übernehmen. Daher war sie froh, dass Hahnkes Ausbruch mit ihrem
Ressort nichts zu tun hatte, und sie hoffte sehr, dass es so blieb. Sobald er
im Zuständigkeitsbereich der Stuttgarter Kripo aktiv wurde, war sie dran.
Aktivität hieß: Mord aus niedrigsten Beweggründen. Eine weitere sadistische
Hinrichtung einer jungen, gehandicapten Frau, die ritualisiert gefoltert und
als deren Leiche geschändet wurde.
    Olaf Hahnke war eine tickende Bombe. Anita wusste es, sie
hatte ihn zwei Jahre zuvor in Stammheim besucht. Und er hatte ihr gedroht mit
dem Gedanken an seine vorzeitige Freilassung – absurd angesichts der
besonderen Schwere der Schuld in allen drei Fällen: »Glauben Sie mir, 15 Jahre
sind genug. Einstweilen habe ich Zeit, bis ins Detail zu planen, was ich dann
tue.« Er hatte sie fest angesehen, ohne Herablassung. »Glauben Sie mir, ich
arbeite jeden Tag daran. Manchmal über Stunden. Ich möchte nichts dem Zufall
überlassen, wenn es so weit ist.« Es klang wie ein freundliches Versprechen,
ein seriöses und ernsthaftes Angebot. »Meine Träume kann mir keiner

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