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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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Blaulicht ins Krankenhaus gebracht. Ihr
kleiner Körper wurde sorgfältig untersucht, während sie an Geräte angeschlossen
im Koma lag. Nirgendwo fanden sich Spuren einer Fremdeinwirkung, keine Blutergüsse,
Prellungen oder Hautabschürfungen, die nicht von dem Sturz herrührten. Trotzdem
ermittelte die Kriminalpolizei auch gegen unbekannt. Man suchte einen
Kinderschänder, einen Kinderhasser, der am helllichten Tag durch die Gärten
streifte, um nackte Kleinkinder unter Wasser zu tunken.
    Nach ein paar Wochen wachte Elisa wieder auf. Und Monate
später gestand die Familie sich schließlich ein, dass der teuflische Fremde,
nach dem man im Schock fieberhaft hatte fahnden lassen, wohl nicht existierte.
Es gab keinen, den man für Elisas spastische Lähmung verantwortlich machen
konnte, jene schwere Behinderung, mit der sie fortan würde leben müssen, mit
der alle würden leben müssen. Die Verantwortung lag vollends bei einem selbst.
Weil jeder das wusste und weil jeder fürchtete, die Schwere der Schuld nicht
tragen zu können, wurde nicht mehr darüber geredet. Die Mosers zogen aus. Sie
verließen das Zweifamilienhaus der Haselbachers im Stuttgarter Süden und
kauften sich eine Doppelhaushälfte in Vaihingen. Doch die Familie hielt
zusammen, selbst dann, als Hermann alkoholkrank geworden war und immer tiefer
abstürzte. Jeder suchte einen Weg, mit dem, was geschehen war, umzugehen. Das
galt auch für Eugen Haselbacher, Elisas Großvater, der nicht dabei gewesen war
und seit dem schwerwiegenden Vorfall irgendwie nicht mehr richtig dazugehörte.

     
    *

     
    Ein
Totenküsser ist einer, der lebendig in seinem Sarg liegt und schmatzt. Ein
früher Verwandter des Vampirs, der an seinem Leichentuch zehrt, an seinen
Händen saugt, seine Körperteile aufisst und dabei kräftig schlürft und
schlotzt. Er kommt aus den Zeiten der Pest, und mancherorts gibt es viele
davon. Wo im Moor beerdigt wird, in der Suhle, kann man die Totenküsser hören,
wenn man nachts auf den Friedhof kommt. Qualberta hatte Rosa oft von ihnen
erzählt, als sie noch klein war und die SA oder die SS vor dem Haus
marschierte. In seltenen Fällen stiefelten die Totenküsser aus ihrer Gruft, und
wenn sie aus dem Hochmoor kamen, dann trugen sie sogar eine braune Uniform. Es
waren auch Frauen darunter, und die Familien, denen sie entsprangen, waren bis
ins siebte Glied verflucht. Eine Totenküsserin vom Schlag der Kernen, flüsterte
Qualberta, sei im 19. Jahrhundert in Tiergestalt umhergegangen. Als Füchsin
verkleidet habe sie das Vieh erschreckt. Man habe die Leiche pfählen müssen, um
sie an ihren nächtlichen Umtrieben zu hindern, aber leider sei es ihr gelungen,
sich den Pfahl wieder aus dem Herzen zu reißen. Und so gehe die Füchsin bis zum
heutigen Tage umher, weshalb es im Ort Familien gebe mit so anmaßenden Namen
wie Himmelsbach oder Winterhalter. Diese seien dafür gut, die Totenküsser zu
bannen. Kein Bach könne am Himmel fließen und niemand den Winter festhalten,
doch die Auflehnung wider die Natur sei nichts anderes als ein Flehen, mit dem Geschlotze
und Geschmatze in den Gruften möge endlich Schluss sein und unter dem Boden
Ruhe einkehren.
    Den ganzen Morgen jätete Rosa im Frühbeet Unkraut, goss
Sträucher und Blumen, hängte eine 40-Grad-Maschine auf und drehte Zecken aus
Kafkas Fell. Dabei dachte sie nach über den Aberglauben, der die Weiber im Dorf
beherrscht hatte, während die Männer im Feld fielen. Erster Weltkrieg, Zweiter
Weltkrieg, und den Weibsbildern grauste vorm Friedhof. Himmelschreiende
Gerüchte gingen um. Rosa fand es beachtlich, dass ihre Mutter sich getraut
hatte, ihr diese Geschichten zu erzählen. Schließlich waren sie heidnisch, also
möglicherweise Todsünden. Qualberta hatte Rosa von früh auf beigebracht, wie
man gottgefällig lebte: Man musste das glauben, was der Papst sagte, aber man
durfte nicht darüber reden. Der Stadtpfarrer predigte, das Kirchenvolk schwieg.
Dennoch tratschte man, sobald er einem den Rücken zukehrte, über das, worauf es
wirklich ankam: über den Graben zwischen denen, die verflucht waren, und dem
von Gott gesegneten Rest. Und das passte ja ab 1933 auch gut zur Politik.
    Diese Sache mit der Kernen Füchsin hatte Rosa Fix
jahrzehntelang vollkommen vergessen, obwohl sie in ihrer Kindheit eine Rolle
gespielt hatte. Derlei Schauermärchen hatten ihre Fantasie bevölkert, während
ein qualtätiger Österreicher aus dem

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