Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
Schlagzeile, mit der sich sein Leben in einem Begriff zusammenfassen lässt: ›Unter Strom‹.«
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»Times Square, Nabel der Welt«, sagte Mike, als er kurz vor dreiundzwanzig Uhr am Broadway, Ecke 44. Straße aus dem Dienstwagen stieg. »Wenn du nachts den LaGuardia-Flughafen anfliegst, kannst du an deinem Fensterplatz ein Buch lesen, so hell ist es über dieser Neonschlucht.«
Als Adolph Ochs, der Gründer der New York Times , vor einhundert Jahren sein Redaktionshaus hierher nach Midtown-Manhattan verlegte, wurde der damals Long Acre Square genannte Platz zu Ehren der berühmten Zeitung in Times Square umbenannt. Die vormals eleganten Wohnhäuser waren Nobelbordellen gewichen, und nachdem die Eisenbahn und U-Bahn die Gegend zum Geschäftszentrum Manhattans gemacht hatten, waren die Theaterhäuser gefolgt.
Uniformierte Cops hatten die Gefahrenzone mit orangefarbenen Kegeln abgesperrt, und drei Lastwagen der städtischen Elektrizitätswerke Con Edison blockierten die Straße, während der Schaden behoben wurde.
»Es funktioniert nach demselben Prinzip wie Old Sparky«, sagte Mike. Old Sparky war der Spitzname für den elektrischen Stuhl in Sing-Sing, der seit 1963 nicht mehr in Gebrauch war. »Eine kräftige Ladung und du stehst vor dem Leibhaftigen. Joe hätte wissen müssen, dass ihn seine komischen Samtslipper nicht erden.«
Einer der Cops führte uns zum Vorarbeiter, der gerade mit ein paar Männern aus dem Büro des Bürgermeisters sprach, und wir stellten uns vor.
»Was war das Problem?«, fragte Mike.
Der Stromtechniker von Con Edison zeigte auf einen Kasten, der sich direkt gegenüber der Markise des Belasco Theatre befand. »Es ist dieser Verteilerkasten dort. Wieder mal ein Wartungsproblem. Schlechte Isolierung.«
Einer der Männer aus dem Büro des Bürgermeisters war bereits am Rechnen. »Das wird die Stadt einige Millionen kosten. Scheiße. Wir haben im ersten Vierteljahr bereits über vierzig Beschwerden über diese Stellen gehabt. Das sind deutlich mehr als letztes Jahr.«
»Was passiert da?«, fragte ich. »Ich meine, wie kommt es zu den Unfällen?«
»Die Drähte in dem Kasten, Ma’am, sollten zwei Isolierschichten haben, eine aus Plastik und die andere aus Gummi. Wenn sich der Gummi abnutzt, kommt der blanke Draht mit dem Metallrahmen des Verteilerkastens in Kontakt.«
»Und was ist mit der Abdeckung des Kabelschachts?«, fragte Mike.
»So wie’s aussieht, wurden fünfundfünfzig Volt an den Seitenwänden des Kastens hinauf zu der Abdeckplatte geleitet. Mehr als genug, um jemanden umzubringen.«
»Gibt es davon noch mehr?«
»In der ganzen Stadt insgesamt zweihundertfünfzig Stück.«
»Gab es noch andere Todesfälle?«, fragte Mike. »Mir ist bisher noch keiner untergekommen.«
Der Abgesandte des Bürgermeisters, der sich mehr um potenzielle Strafprozesse als um Menschenleben sorgte, antwortete: »Vor einem Monat gab es einen im East Village. Eine Frau, die ihren Hund ausführte. Manhattan South bearbeitete den Fall. In diesem Jahr scheint es besonders häufig zu passieren.«
»Und warum?«
»Wir hatten diesen Winter viel Schnee«, sagte der Stromtechniker der Stadtwerke. »Das Streusalz zerfrisst die Kabelisolierung.«
Der Vertreter des Bürgermeisters schüttelte den Kopf; er war nicht willens, sich die Schuld in die Schuhe schieben zu lassen. »Bei Joe Berk lag es nicht am Salz. Dieser Verteilerkasten ist zu klein für all die Kabel und Drähte. Dadurch wurden die Drähte nach oben gedrückt, sie sind zerrissen und haben den ganzen Kasten unter Strom gesetzt. Sie sollten einen Begrenzer installieren.«
»Was ist das?«
»Es funktioniert wie eine Sicherung«, antwortete er Mike, bevor er sich wieder an den Con-Edison-Vorarbeiter wandte. »Wann wurde dieser Kasten das letzte Mal inspiziert? Sie haben weder genug Leute im Einsatz, noch haben Sie eine zuverlässige Methode entwickelt, um die Kabelschächte zu überprüfen.«
»Sie sagten am Anfang etwas von vierzig Beschwerden«, fragte Mike. »Damit wollen Sie aber nicht sagen, dass vierzig Leute gestorben sind, oder?«
»Nein, nein. Vierzig Stellen, an denen es zu Vorfällen kam. Metallabdeckplatten wie diese hier, die unter Strom stehen, manchmal mitten auf dem Bürgersteig. Normalerweise sind es nur zwanzig oder dreißig Volt - genug, um einem Menschen einen gehörigen Schreck einzujagen oder einen Hund in die Luft hüpfen zu lassen. Wir bekommen deswegen jede Woche Anrufe. Es kostet uns viel Zeit, weil es diesen
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