Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
Haben Sie eine Nummer, unter der ich ihn erreichen kann?«
Kestenbaum gab mir eine Telefonnummer. »Er kommt heute Vormittag nach New York, um an einem Meeting teilzunehmen. Sie können ihn ab siebzehn Uhr in seinem Büro erreichen.«
Ich erzählte Mike, was Kestenbaum gesagt hatte.
»Was heißt das - Mäzen?«, fragte er.
»Das ist eins der umstritteneren Themen in der vornehmen Welt des Balletts. Da die öffentlichen Gelder für die Künste immer knapper werden, suchen sich viele Ballettkompanien private Sponsoren.«
»Das musst du mir näher erklären.«
»Manche Kompanien, zum Beispiel das American Ballet Theater oder das Atlanta Ballet, halten regelrecht Auktionen ab. Zum richtigen Gebot -«
»Und das wäre?«
»Für ein Regionalensemble muss man um die zehn- oder zwanzigtausend Dollar hinblättern. Eine Primaballerina des American Ballet Theater kostet wohl an die einhunderttausend oder noch mehr. Wir können uns das Programm von der letzten Woche besorgen. Unter Taljas Foto steht wahrscheinlich ein Satz in der Art von: ›Natalja Galinowa wird unterstützt von...‹.« Ich sah auf den Zettel, auf dem ich mir den Namen notiert hatte. »Hubert Alden.«
»Das heißt, sie hat diesem Mr Alden gehört ?«
»Die Tänzer selbst würden das wahrscheinlich verneinen. Aber das macht die ganze Sache ja so schwierig. Die meisten Kompanien behaupten, sie würden zu Distanz zwischen Sponsor und Künstler raten, andere begrüßen es, wenn sich die beiden Seiten näher kommen. Sie wollen, dass die reichen Geldgeber die von ihnen geförderten Tänzer in ihren Bekanntenkreis aufnehmen, wo sie dann möglicherweise weitere Mäzene finden, die sich für sie engagieren.«
»Also steht Alden für siebzehn Uhr im Terminkalender. Dann hast du jetzt Zeit mitzukommen.«
Mike war viel lebhafter als am Abend zuvor. Berks Mätzchen hatten offenbar seinen Sportsgeist geweckt, und er fand allmählich wieder Gefallen an der Sache.
»Ich wollte eigentlich noch an meiner Präsentation feilen. Wo willst du hin?«
»Zu Mona Berk. Hinterlass Laura eine Nachricht. Sag ihr, dass du unterwegs bist.«
Da alles andere, was auf meinem Schreibtisch lag, bis zum Nachmittag warten konnte, fuhr ich mit Mike nach Midtown. In seinem Dienstwagen häuften sich leere Coladosen, rote Lakritzestangen und stapelweise Boulevardzeitungen, die über Taljas Tod berichteten.
Dank Mikes Polizeiparkausweis konnten wir direkt am Times Square in einer Ladezone in der 45. Straße West halten, die ansonsten in Zweierreihen zugeparkt war. Die ersten Reisebusse entließen ihre Touristen in die bunte Neonschlucht, die nach wie vor der Nabel der Stadt war. Über den grellen Reklametafeln ragten die glänzenden Wolkenkratzer von Condé Nast und Reuters hoch, Neuzugänge in diesem florierenden Viertel.
Die Rekrutierungsstation der Armee auf dem Duffy Square hatte bereits geöffnet, vor dem TKTS-Schalter standen die Leute Schlange, um billige Theaterkarten zu ergattern, eine Wahrsagerin streckte die Hand nach mir aus, um mich unter dem Vorwand des geistig-spirituellen Beistands in ihre Gemächer zu locken, und ein Straßenmissionar verteilte Blätter, auf denen zu lesen stand, was ich tun musste und wie viel es mich kosten würde, um meine Seele zu retten.
Um einige der Hochhäuser, die dieses Viertel wiederbelebten, rankten sich digitalisierte Schlagzeilen. Galinowas Tod und die Anteilnahme von Ballettfreunden auf der ganzen Welt erschien an fünfter Stelle, nach Meldungen über die Zerschlagung einer Terrorzelle und einen Politskandal in New Jersey.
»Weißt du, wie man das nennt?«
Ich sah zu den Nachrichtenbändern hinauf. »Keine Ahnung.«
»Motogram. Das erste Motogram der Welt lief hier, an dem alten New York Times Tower, anlässlich der Präsidentschaftswahlen im Jahr 1928. Man brauchte fünfzehntausend Glühbirnen, um die Nachrichten um das Gebäude herumzuführen.«
»Weißt du das von deinem Vater?« Brian hatte seinem Sohn unzählige Geschichten über New York erzählt.
»Nein, von meiner Mutter. Du kennst doch ihre Postkartensammlung.« Mikes Mutter sammelte seit ihrer Kindheit alte Fotografien. Er zeigte auf ein riesiges, buntes Barbie-Billboard, das momentan den Times Square beherrschte. »In den 1930er Jahren gab es hier eine Wrigley-Spearmint-Reklame mit einem zwölf Meter langen Kaiserfisch. In den Vierzigern einen zehn Meter hohen Wasserfall mit einer griechischen Amazone. In den fünfziger Jahren eine riesige Pepsi-Flasche, und ein Jahrzehnt
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