Totenmal
Mithören.
»Vogelwarte Helgoland, Stürmer«, sagte eine junge Frauenstimme.
»Kriminalhauptkommissar Lüthje, ich benötige für eine dringende Ermittlungssache so schnell wie möglich Auskunft über die Ringnummer einer Möwe.«
»Tut mir leid, aber ich kann hier nicht in die Beringungsdatenbank sehen. Ich mache hier ein freiwilliges ökologisches Jahr. Sie müssen sich an die Beringungszentrale beim Institut in Wilhelmshaven wenden. Aber um diese Zeit wird da wohl niemand mehr sein.«
»Wer ist denn für die Beringungsdatenbank zuständig?«
»Der Leiter der Beringungszentrale, Herr Prien. Aber die Nummer habe ich nicht. Die könnten Sie bei unserem Chef Professor Dr. Breunig bekommen. Aber der wird auch nicht mehr im Institut sein.«
Lüthje notierte sich den Namen. »Wohnt der Chef in Wilhelmshaven?«
»Ja.«
»Dann schalte ich meine Wilhelmshavener Kollegen ein. Vielen Dank und tschüss!«
»Viel Erfolg und tschüss!«
»Und jetzt die Polizei Wilhelmshaven bitte«, sagte er zu Sophie.
Sie tippte den Suchbegriff ein. Nach ein paar Sekunden fragte sie: »Polizeiinspektion, MozartstraÃe 29?«
»Bingo«, antwortete Lüthje.
Sophie nannte ihm die Telefonnummer, er wählte, nannte Dienstgrad und Namen und fragte nach der Privatnummer von Professor Dr. Breunig.
»Der Direktor des Instituts für Vogelforschung?«
»Ja. Kennen Sie den?«
»Den kennt hier in Wilhelmshaven jeder«, sagte der Beamte und nannte die Telefonnummer.
Lüthje schrieb mit, bedankte sich und wählte die Nummer. Der Professor war zu Hause und gleich am Telefon. Lüthje wiederholte sein Anliegen, betonte mehrfach, wie eilig es sei und dass es sich um einen mehrfachen Mörder handele, nach dem gefahndet werde.
»Da kann ich ja froh sein, dass ich mich nur mit Vögeln befasse«, sagte der Professor ernst und gab ihm die Telefonnummer des Leiters der Beringungszentrale. »Wissen Sie, ich habe das Passwort für die Datenbank nicht, kann deshalb auch nicht in die Datenbank. Aber Herr Prien, der Leiter der Beringungszentrale, der kann Ihnen sicher weiterhelfen.« Lüthje notierte die Nummer, bedankte sich und wählte.
Herr Prien war auch gleich am Telefon. Lüthje atmete auf und mit ihm alle im Zimmer. Sophie hob die Hand und machte ein V-Zeichen für »Victory«.
Lüthje schilderte zum dritten Mal sein Anliegen.
Prien sagte ihm gut gelaunt, dass er dann wohl helfen müsse.
»Wie lange brauchen Sie ins Institut?«, fragte Lüthje.
»Knapp drei Minuten.«
»Wohnen Sie im Institut?«
»Nein, aber ich setze mich einfach an meinen Computer hier zu Hause und logge mich ein.« Man hörte, dass er lächelte.
»Super, ich warte«, sagte Lüthje.
Sophie begann, an ihren Nägeln zu kauen, Frau Wagner bevorzugte ihre Unterlippe.
»So. Wie ist die Ringnummer?«, fragte Prien.
Lüthje hielt sich das Foto vor die Augen. » HC  05 .«
» HC  05 «, wiederholte Prien. Man hörte ihn auf die Tastatur tippen. »Ich hab sie. Die Silbermöwe wurde 1992 beringt. Danach mehrfache Meldungen. 1993, hier steht: âºBundesstraÃe 5 am Schlichtinger Moorâ¹. Dann 1997, 2000, zuletzt 2009. Immer am oder im Schlichtinger Moor.«
»Ist da kein Irrtum möglich? Hält sich eine Möwe wirklich überwiegend an einem Ort auf?«
»Möwen sind da wie Menschen. Die einen bleiben ein Leben lang im Dorf, andere wandern Tausende von Kilometern durch Europa. Das ist so.«
»Wir gehen davon aus, dass die Möwe HC  05 von einem Mann aufgepäppelt wurde. Auf einem Foto sieht man sie auf dem Arm des Mannes sitzen, sie lässt sich gerade füttern. Sie sagten, dass der eine Fundort an der B  5 am Schlichtinger Moor war. Sie könnte also dort an der StraÃe verletzt worden sein, der Mann hat sie gefunden, mit nach Haus genommen, weil er dort wohnt, gepflegt, vielleicht auch zum Tierarzt gebracht. Wäre das schlüssig?«
»Durchaus.«
»Und könnte das bedeuten, dass die Möwe immer wieder an den Ort der Pflege zurückkehrt oder sich überwiegend dort aufhält?«
»Oh ja. Ich habe mal Kollegen in Rostock besucht, die mir von einer Möwe berichtet haben, die bei ihnen aufgezogen wurde. Sie säÃe jetzt immer mindestens einmal täglich auf einem Fahnenmast vor ihrem Institut. Als
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