Totenmal
ist eine unprofessionelle Ermittlungsmethode. Ich sage, wir ermitteln in alle Richtungen. Ich meine damit, dass das Spekulieren zu unserem Job gehört. Ich meine, es gibt nichts, was es nicht gibt. Wenn jemand einem Menschen mit dem Hammer von hinten den Schädel einschlägt, ihm dann eine Hand im Boden festnagelt und auch noch einen Kinderreim auf den Nagel steckt, dann müssen wir die ganze Bandbreite ausspekulieren: Ist der Täter geistesgestört oder einfach nur schlecht? Oder wie mein Kollege Lüthje es immer auf den Punkt bringt: Es ist alles eine Frage der Perspektive.«
Erst beim letzten Satz lachte Kröhner gelöst auf. Vorher hatte sich seine Miene mit jedem Wort Malbeks mehr gesäuert. »Ja, das hat Lüthje mir gegenüber auch schon geäuÃert, schon vor Jahrzehnten, als wir fast gleichzeitig in Kiel unseren Dienst antraten.«
Ein Hauch Wehmut umwölkte Kröhners Miene. Malbek war beeindruckt.
»Fundierte Ermittlungsansätze haben wir nicht, was die Frage einer Wiederholungstat angeht«, sagte Kröhner.
»Ãbernehmen Sie die Verantwortung, wenn dieser Fall doch eintritt?«, fragte Malbek.
»Herr Malbek, glauben Sie wirklich, dass jemand von der Bank oder der Versicherung, die in dem Leasingvertrag erwähnt ist, oder sonst jemand aus diesem Umkreis nach so vielen Jahren Peter Arens umbringen würde? Wo soll das Motiv sein? Da steckt etwas anderes dahinter. Das Thema âºBankâ¹ in dieser Sache ist doch Schnee von gestern. Der Konkurs der Spedition Peter Arens ist auch abgewickelt, und die Fusion der Banken, von der Sie vorhin geredet haben, ist doch nicht mit dem Konkurs des Opfers bezahlt worden. Wir machen uns ja lächerlich. Ich sehe ja ein, dass die Akte vielleicht nicht vollständig ist. Aber warum fordern Sie nicht die Konkursakte des Mordopfers von damals an? Und wenn das nichts für die Ermittlungen bringt, dann sprechen wir noch mal über einen Antrag.«
»Sie haben sich vorhin diese Akte in meiner Gegenwart durchgesehen und die Leasingverträge und Darlehensverträge der Bank gesehen, wahrscheinlich nicht einmal komplett. Wir müssen wissen, woher diese sogenannten günstigen Leasingverträge kamen. Wer war es, der seine Verträge nicht mehr bezahlen konnte und sie an Peter Arens ⦠ja, verloren hat.«
»Eine interessante Theorie, diese Suche nach dem Rechtsvorgänger der Leasingverträge des Mordopfers. Aber bisher haben Sie keinen Ermittlungsansatz, der in diese Richtung weist. AuÃerdem überlegen Sie mal, wo liegt das finanzielle Motiv des ursprünglichen Vertragsnehmers? Er hat keins mehr. Er ist seine Verträge früher losgeworden, als er zu hoffen gewagt hatte. Jemand anders hat sie übernommen. Er müsste ihm doch die FüÃe küssen. Es ist alles Schnee von gestern und für die Ermittlungen nicht mehr relevant.«
»Wie wäre es mit persönlicher Rache?«
»Haben Sie denn dafür Anhaltspunkte? Haben Sie die Angehörigen dazu schon ausreichend befragt? Sie haben mir dazu nichts vorgetragen, geschweige denn vorgelegt. Hat die Tochter, von der Sie vorhin berichtet haben, ein Motiv? Die hat nur gesagt, dass sie seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr mit ihrem Vater gehabt hat. Deren Mann, dem der Vater vielleicht in einer Kneipe etwas mehr erzählt hat? Oder war es eine verflossene Geliebte, deren Familie oder die selbst einen Killer beauftragte? Auch ein Motiv für persönliche Rache. Aber mehr nicht.«
Oder ein Verrückter, der einen Rachefeldzug gegen das Universum durchführt, dachte Malbek. »Und was ist mit dem Schüttgut, das das Opfer mit den geleasten Fahrzeugen transportieren wollte?«, fragte er stattdessen.
»Was meinen Sie?«
»Wir müssen die Auftraggeber von damals ermitteln, alles das, was vor dem Konkurs war!«
»Ich empfehle Ihnen nochmals dringend, die Konkursakte anzufordern. Eine Hausdurchsuchung bei der Bank kann ich bei dem aktuellen Stand der Ermittlungen bisher nicht ausreichend begründen. Und noch etwas, Herr Malbek. Ich habe vorhin schon mit Herrn Schackhaven telefoniert und ihm meine Auffassung erläutert. Er ist meiner Meinung. Sie können sich den Gang zu ihm also sparen.«
Malbek nahm die Bankakte von Kröhners Schreibtisch und steckte sie wieder ein. »Beten Sie«, sagte er und verlieà den Raum.
13
Als Malbek sich wieder in den Wagen setzte, trommelte er vor Wut
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