Totenmal
Kleemann muss es etwas anderes gewesen sein. Für MS hat sie zu klar reagiert. Nicht nur, weil sie vielleicht auch so einen Laptop in ihrem eigenen Zimmer hat. Die Sache mit dem Elsässer Schinken sagte mir, dass sie sehr genau wahrnimmt, was in ihrer Umgebung passiert. Auf einen unbefangenen Beobachter wirkt sie natürlich völlig durchgedreht.«
»Könnte es nicht sein, dass ihr Mann ihr Psychopharmaka gegeben hat? Nach Beratung mit seiner Kollegin, der Neurologin. Beihilfe?«
»Vielleicht haben sie sie als Versuchskaninchen benutzt.«
»Um sie loszuwerden?«
»Vielleicht unser nächster Fall«, sagte Lüthje.
»Und wenn es nur Theater war?«
»Na und? Wir haben die Unterlagen und den Laptop. Aber du hast dich ja ganz feinfühlig in diese Ehegeschichte hineingekniet und ihr einiges entlockt.«
»Ja, und?«
»Bist du immer noch überzeugter Single oder, wie man früher schlicht sagte ⦠solo? Nicht ein klitzekleiner Funken?«
»Ich werde dich unterrichten, wenn es an der Zeit ist«, sagte Malbek schmallippig und bog in den Parkplatz am Jachthafen ein. Hatte Frau Jasch etwas gesehen, kombiniert? Und dann Hilly angerufen?
Lüthje bedachte ihn mit einem amüsierten Seitenblick.
Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit beendet und war dabei, ihre Metallkoffer in die Fahrzeuge zu verstauen. Der Leichenwagen stand mit geöffneter Heckklappe nahe am Bootssteg. Blumfuchsâ und Husvogts Wagen stand verlassen an der alten Stelle. Ein Beamter der Spurensicherung deutete auf den Wikingturm, als sie Lüthje aussteigen sahen. Die beiden waren also noch mit Klinkenputzen beschäftigt.
Lüthje und Malbek gingen auf den Bootssteg. Der Zugang zum Segelboot war mit einem Flatterband versperrt. Ein kühler Morgenwind hatte den Nebel vertrieben. Die Takelage der Boote schlug in wirrem Rhythmus gegen die Masten. Sie vergruben ihre Hände in ihren Hosentaschen.
»Die Kriminalräte Schackhaven und Miesbach werden heute Nachmittag eine Pressekonferenz geben wollen«, sagte Lüthje nachdenklich und sah auf das sanft schaukelnde Boot, in dem noch das zweite Opfer des Nagelmörders in seinem Blut lag. Zwei Männer in schwarzem Anzug setzten eine verschlieÃbare Aluminiumbahre auf dem Bootssteg ab und zogen sich weiÃe Einmalhandschuhe an. »Wir würden auf dem Podium danebensitzen und einen wichtigen Eindruck machen. Dafür haben wir aber keine Zeit. Deshalb sollten wir uns eine Entscheidungsvorlage für die Herren überlegen.«
»Sie werden die Einrichtung einer Ermittlungsgruppe verkünden«, stellte Malbek fest.
»Richtig. Und sie werden einen Leiter der Ermittlungsgruppe benennen wollen«, sagte Malbek und sah zum Wikingturm hoch, in dem Blumfuchs und Husvogt beim Klinkenputzen waren.
»Aus der Natur der Sache ergibt sich folgender Ablaufplan â¦Â«, sagte Lüthje. Sie gingen mit gesenkten Köpfen langsam den Bootssteg zurück zum Parkplatz. Ein Kollege von der Spurensicherung eilte mit einem knappen »Moin« an ihnen vorbei.
»â¦Â sobald mein Chef, Kriminalrat Miesbach, heute Morgen im Dienstgebäude erscheint, werde ich ihm über diese Sache Bericht erstatten. Und darüber, dass ich mich mit dem Ermittlungsleiter Malbek des ersten Nagelmörder-Falles vor Ort in Schleswig heute Morgen beraten habe. Du hast mich über deine bisherigen Ermittlungsergebnisse in Kenntnis gesetzt. Ich finde sie vielversprechend und schlage deshalb dich als Leiter der Ermittlungsgruppe vor. Dagegen kann er keine überzeugenden Einwände haben. Miesbach wird dann deinen Chef anrufen und ihm diese Regelung als seine Idee vorschlagen«, sagte Lüthje.
»Schackhaven wird darauf eingehen müssen, es sei denn, er will es sich mit mir verderben«, sagte Malbek.
»Das würde ihm nicht schwerfallen, aber er würde es sich auch mit mir verderben. Und das könnte ihm richtig Probleme bereiten.«
»Du meinst die Sache während deiner Urlaubsvertretung für mich?«, fragte Malbek.
»Seine verpatzte Bewerbung bei der Steuerungsgruppe X«, antwortete Lüthje genüsslich.
Malbek öffnete seinen Wagen. »Wenn das bekannt würde ⦠Eins haben wir noch vergessen. Den Namen unserer Ermittlungsgruppe. Das ist wichtig für Presse, Funk und Fernsehen. Und deshalb auch für unsere Chefs.«
»Und? Wie ich dich kenne, hast du schon was«,
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