Totenmesse
heraus. Er legte sie nebeneinander auf den Tisch und zeigte auf ein längliches Gesicht mit geradem Nasenrücken und kurz geschnittenem Haar. »Ihr kleinerer Räuber, Mikhail Zinovjev, zweiundfünfzig Jahre alt. Und hier Vladimir Kuvaldin, Ihr gröÃerer Räuber, einunddreiÃig Jahre alt. Beide wohnhaft in Moskau.«
Das Gesicht, das ihnen vom Schreibtisch aus entgegenblickte, war dem breiten slawischen aus der Bank zweifellos sehr ähnlich.
»Ja«, sagte Norlander. »Klar, das ist er.«
»Wir sind Ihnen überaus dankbar, Herr Ljubimow«, sagte Arto Söderstedt und streckte die Hand aus.
Ljubimow sah die Hand an, zog die linke Augenbraue hoch und sagte gemessen: »Ich hoffe, dass wir damit ein wenig Tatkraft im Kampf um unseren guten Ruf als Nation bewiesen haben.«
Worauf er sich umdrehte und verschwand.
Söderstedt lieà seine Hand sinken und drehte die Fotos um. Beide Rückseiten waren vollgeschrieben mit Informationen. Die Handschrift schien gut zu Ljubimows eigentümlicher Person zu passen.
»Eine gute Bekanntschaft«, stellte Söderstedt fest.
»Aber ich fresse einen Besen, wenn das kein Toupet ist«, sagte Norlander.
»Richtig geraten«, sagte Söderstedt. »Unsere Bankräuber waren ein älterer KGB-Veteran als Gehirn und ein jüngerer Kriegsveteran als Muskelpaket. Beide in hinreichend miesen Verhältnissen, um sich für die richtige Anzahl von Millionen ein paar Jahre lang hinter schwedische Gardinen zu setzen. Und irgendwo in den Kulissen hockt ein altes Mitglied des Ministeriums für Staatssicherheit. Wenn er nicht schon tot und das ganze Rätsel vom immer noch nicht geschlossenen schwarzen Loch des Kalten Krieges verschlungen worden ist.«
»Ministerium für was?«
»Oh, Muskelpaket«, sagte Arto Söderstedt in klagendem Ton.
»Oh, Pflegefall«, sagte Viggo Norlander barsch.
»Ministerium für Staatssicherheit. Stasi.«
Ãber diese ÃuÃerung lachte erneut Donald Duck, lange und herzlich. Nein, es war unmöglich, sich daran zu gewöhnen. Söderstedt fummelte sein Handy aus der Innentasche seines Sakkos und sagte gereizt: »Jajajaja ja .«
»Da habe ich mich wohl verwählt«, sagte eine unbekannte Stimme etwas unwirsch. »Ich bin gebeten worden, diese Nummer anzurufen, wenn ich auf etwas stoÃen sollte, aber ich wende mich vielleicht besser direkt an Svenhagen.«
Söderstedt zwinkerte eine Weile, bevor er die Stimme mit einem Museumsrestaurator in Verbindung brachte, der eine Wand obduzierte.
»Entschuldigung«, sagte er. »Handysalat. Sie haben ganz richtig gewählt. Sie haben also etwas gefunden?«
»Einige Abdrücke auf der Innenseite des Rohrs«, sagte der Restaurator. »Kommen Sie doch herunter.«
Sie gingen los. Im Aufzug nach unten ins Kellergeschoss betrachteten sie einander eingehend, wie um im Blick des anderen Erwartung zu entdecken.
War nicht dieses kleine Rohr der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen?
Es bedurfte immer einer gewissen Selbstüberwindung, um die Schlupfwinkel des Gerichtsmediziners zu betreten. Dort drinnen wartete Tod, Geruch von Tod, Anblick von Tod, eine von Tod gesättigte Atmosphäre. Diesmal handelte es sich um die Ausnahme, die die Regel bestätigte.
Der Kunstrestaurator betätigte sich im Moment ganz und gar nicht als ein solcher. Keine Seidenhandschuhe, keine Lupen mit dicken Linsen, keine weichen Pinsel und keine feingliedrigen Pinzetten. Nein, er hielt eine mächtige Zange in der Hand und bog die kleine Plastikhülse um einen Metallzylinder, der mit einer Schraubzwinge am Obduktionstisch befestigt war, von innen nach auÃen.
»Aber was machen Sie da?«, entfuhr es Norlander.
Ohne von seiner dubiosen Beschäftigung aufzublicken, erwiderte der Restaurator: »Die Aufnahmen aus dem Inneren der Hülse sind schon gemacht â Sie finden sie dort auf dem Computer â, und jetzt müssen wir die plane Fläche beleuchten.«
»Beleuchten?«
»Die Details brauchen Sie nicht zu kennen«, erklärte der Restaurator in dem für Spezialisten üblichen herablassenden Tonfall. »Wir legen mit einem speziellen Infrarotlicht unterschiedliche Abdrücke frei.«
Die Zange lieà die von innen nach auÃen gewendete Plastikhülse los, die vom Metallzylinder zurückschnurrte und sich tatsächlich nahezu flach ausrollte. Der Mann legte das jetzt zu
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