Totenmesse
und sagte: âºBeim nächsten Mal aber sauberes Spiel, meine Herren.â¹Â«
Norlander versuchte, sich zurückzuversetzen. Es schien nicht richtig gelingen zu wollen. »Ich habe dir geholfen, den Schreibtisch zu tragen«, sagte er zögernd.
»Du hast mir während der Auktion geholfen«, sagte Söderstedt. »Ich bekam plötzlich Konkurrenz von zwei professionellen Antiquitätenhändlern. Ein Mann mit einer karierten Fliege und eine alte Dame namens Laura. Ich hätte den Schreibtisch von Rechts wegen nicht bekommen. Doch beide verstummten während des Bietens. Nachher saà der Mann mit der Fliege auf der Verandatreppe, rieb sich das Schienbein, drohte mit dem Zeigefinger und sagte: âºBeim nächsten Mal aber sauberes Spiel, meine Herren.â¹Â«
»Ich kann mich bestenfalls an einen Mann erinnern, der dasaà und komisch aussah«, sagte Norlander angestrengt.
»Da hast du so verschmitzt gelächelt«, sagte Söderstedt, »wie um zu sagen, dass du es warst, der die Konkurrenten zum Schweigen gebracht hat.«
»Wieso die Konkurrenten zum Schweigen gebracht?«
»Während des Bietens. Während ich für den Schreibtisch bot.«
»Ich erinnere mich nicht richtig«, ächzte Norlander.
»Du hast unserem Freund mit der Fliege einen kleinen Tritt vors Schienbein verpasst. Und was du mit der armenFrau Laura gemacht hast, wage ich mir gar nicht auszumalen.«
Norlander grübelte schweigend. Am Ende sagte er: »Während du für den verdammten Schreibtisch geboten hast, habe ich mich um Sandra gekümmert, die hingefallen war. Ich hatte einen Schnuller in der Tasche, mit dem ich ihr den Mund gestopft habe.«
»Aber der Fliegenmann? Frau Laura?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest.«
»Ich hätte es ahnen müssen«, stieà Söderstedt aus. »Es ist wohl klar, dass du so etwas nicht für mich getan hättest.«
»Danke sehr«, sagte Norlander gekränkt.
»Ich habe keinen klaren Kopf gehabt«, fuhr Söderstedt fort. »Ich war blind vor Glück über den Schreibtisch.«
»Du warst blind, kurz und gut. Und bist es geblieben.«
Söderstedt nickte und bremste sich. Versuchte, sich die Szene zu vergegenwärtigen, sie physisch noch einmal zu erleben. »Da war noch ein anderer«, sagte er schlieÃlich. »Klar, da war doch noch ein anderer?«
»Hundert Leute, verdammt gutes Gedächtnis.«
»Er hat mit mir geredet«, sagte Söderstedt. »Ãber den Schreibtisch. Obwohl er behauptete, er wäre auf etwas anderes aus â¦Â Besteck.«
»Besteck?«
»Besteck und Krüge. Das muss er gewesen sein. Er war ein bisschen hartnäckig, als wollte er mich kontrollieren. Kontrollieren, dass ich mitmachte.«
»Bist du jetzt völlig durchgeknallt, Pflegefall?«, sagte Viggo Norlander.
»Es war ein Mann mit einer Uhr«, sagte Arto Söderstedt.
39
Samstag, den 3. Oktober 1942,
acht Uhr zwölf am Abend
Der Tag einer merkwürdigen Verwandlung geht seinem Ende entgegen; wir können es zwölf Minuten nach acht am Abend nennen, das klingt schön. Das schwache natürliche Licht, das mir das Schreiben am Tage ermöglicht hat â allerdings an einem anderen Ort, ich schreibe inzwischen meistens an einem anderen Ort â, ist von der hereinbrechenden Dämmerung verdrängt worden. Ich habe ein kleines, gut kontrolliertes Feuer gemacht, das mir als Wärme- und als Lichtquelle dienen muss, während ich, in viele Lagen von Tischtüchern aus dem verlassenen Restaurant gewickelt, dasitze und versuche, den auÃergewöhnlichen Tag Revue passieren zu lassen, an dem ich, einst reiner Körper, zu reinem Gehirn geworden bin.
In diesem Augenblick zwischen Leben und Tod, der mein Zuhause geworden ist, habe ich verstanden, wer ich bin.
Ich bin zurück in der Landschaft meiner Kindheit, in den Wäldern Brandenburgs. Ich saà in dem kleinen Haus meines GroÃvaters mitten in der Wildnis. Ãber uns wölbten sich die Tannen, wir saÃen am Feuer, und um uns her brach die Dunkelheit herein. GroÃvater las mir etwas vor, er las Jules Verne. Die geheimnisvolle Insel. GroÃvaters barsche Stimme, die einen völlig anderen Klang bekam, wenn er vorlas, faszinierte mich. Mehr noch fesselte mich die Erzählung von den fünf Nordstaatlern, die während des amerikanischen Bürgerkriegs in
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