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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Der russische Krieg in Afghanistan war ja seit Dezember 1979 im Gange. Er war als schneller Angriffskrieg gegen die Guerilla geplant gewesen, hatte sich aber mithilfe vor allem amerikanischen Geldes in einen regelrechten Guerillakrieg verwandelt, und die Sowjetunion pumpte förmlich junge russische Soldaten ins Land. Fjodor Kuvaldin hatte drei Söhne, die alle einberufen wurden und nach Afghanistan gingen. Alle drei sind dort umgekommen.
    Als die drei Söhne jung waren, hatte er ihnen ihr Erbe, das Wichtigste, was er besaß, im Voraus gegeben, und weder Achim noch ich verstanden den eigentlichen Zusammenhang. Es handelte sich um ein Tagebuch und eine Karte, und das Tagebuch stammte von Achims Vater, dem er nie begegnet war. Achim war sogleich Feuer und Flamme.
    Ich meinte, er solle die Gelegenheit nutzen und nach Moskau reisen, um etwas mehr über seinen im Krieg gefallenen Vater zu erfahren. Das tat er. Und als ich das Ereignis dann in meinem wöchentlichen Rapport für die Stasi erwähnte, war der Teufel los. Schon seit dem Krieg, dem großen vaterländischen Krieg, hatte es Gerüchte über eine phantastische wissenschaftliche Entdeckung gegeben, die während des Krieges von einem Russen und einem Deutschen zusammen gemacht worden war. Die Gerüchte waren nie bestätigt worden, aber man behauptete, sie gingen auf den ScharfschützenZajtsev in Stalingrad, den Helden der Sowjetunion, zurück. Trotz massiven Drucks war er nicht bereit gewesen, mehr zu berichten. Vermutlich wusste er nicht mehr. Der Meisterschütze nahm das Geheimnis mit ins Grab.
    Aber die verschiedenen Nachrichtendienste in der Welt konnten die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Wenn es stimmte, was aus Zajtsev herauszuholen gewesen war, gab es irgendwo ein Buch voller Formeln, wie man Erdölprodukte durch Wasserstoffgas ersetzen konnte. Der unbekannte Deutsche und der unbekannte Russe hatten zusammen die Utopie der Wasserstoffgas-Ökonomie begründet, eine neue Weltordnung, die das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ablösen konnte. Eine unerhörte Bedrohung sowohl für die Sowjetunion wie für die USA. Die Macht der Supermächte beruhte in hohem Maße auf Produktion und Verbrauch fossiler Brennstoffe. Die Ölgesellschaften auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs zitterten vor Entsetzen. Und also auch die Nachrichtendienste.
    Was ich meinen Vorgesetzten in der Stasi beiläufig berichtete, ging natürlich schnell weiter an den KGB und an die CIA. Jetzt mussten die Formeln, wenn schon nicht mit Beschlag belegt, so doch für immer vernichtet werden.
    Unterdessen reiste Achim Eichelberger, nichts Böses ahnend, zu Fjodor Kuvaldin nach Moskau. Der fünfzehn Jahre ältere Kuvaldin hatte über den Meisterschützen Zajtsev tatsächlich ein Tagebuch und eine Karte von seinem Vater Maxim Kuvaldin erhalten. Maxim Kuvaldin war in Stalingrad wegen Verrats hingerichtet worden, was bedeutete, dass seine Familie ruiniert war. Der mittellose Fjodor hielt sein väterliches Erbe in Ehren, und ohne zu wissen, worum es eigentlich ging, vererbte er es weiter an seine drei Söhne. Damit diese zusammenblieben, kopierte er die Karte in drei Teilen, sodass sie nur zu lesen war, wenn man alle drei Teile übereinanderlegte. Die Söhne nahmen das Erbe an sich, ohne etwas davon zu begreifen, und verschwandennach Afghanistan. Als der Letzte der drei in einem Sarg zurückkehrte, sah sich Fjodor Kuvaldin seinen vierten Sohn an – den Nachzügler Vladimir, der auf der Bildfläche erschienen war, nachdem die drei anderen ihr väterliches Erbe erhalten hatten – und beschloss, statt das Erbe ihm zu überlassen, Kontakt mit dem Sohn des Kompagnons seines Vaters aufzunehmen. So viel hatte er dem Tagebuch in der fremden deutschen Sprache entnommen, dass Maxim Kuvaldin und Hans Eichelberger in Stalingrad zusammengearbeitet und etwas Bedeutendes geschaffen und an einem Ort versteckt hatten, zu dem nur die Karte führte.
    Achim hörte der Erzählung des vom Unglück geschlagenen Fjodor erstaunt zu. Drei Söhne in Afghanistan tot, dachte er. Der arme Mann. Aber er dachte auch an das Tagebuch, eine Chance, seinen toten Vater posthum kennenzulernen, die Vergangenheit zu verändern. Wozu die dreigeteilte Karte gut sein sollte, begriff er jedoch nicht. Russische Zeichen auf der Karte einer Stadt, die dem Erdboden gleichgemacht worden war – welchen Wert konnte

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