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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Vergangenheit zu ändern.

13
    Ein großes Haus, etwas abgelegen. Ein vierstöckiges Mietshaus draußen auf einer Ebene, weit und breit keine Nachbarn. Es sieht aus wie ein Foto. Aber dann fliegt ein Vogel vorbei, vielleicht eine Krähe oder Dohle. Da geschieht etwas. Das Haus scheint einen kleinen Satz zu machen, als hätte es Schluckauf. Dann steigen aus jedem Fenster kleine Rauchwolken auf, und das Gebäude scheint zu kreiseln, wird angesaugt von einem unsichtbaren Kern tief in seinem Inneren. Und dann fällt es in sich zusammen, still, lautlos, bis nur noch eine gewaltige Rauchwolke zu sehen ist. Als sie sich gelegt hat, ist nichts als ein Schutthaufen übrig.
    Â»Ich frage mich, wie es der Krähe ergangen ist«, sagte Jorge Chavez.
    Jan-Olov Hultin drückte auf eine Taste des Laptops, und die Wand hinter ihm wurde wieder weiß. Mit seiner Fähigkeit zu ignorieren, was ignoriert werden muss, sagte er: »So kann es im Zuge des Wohnraumüberflusses auf dem Lande aussehen. Ein leer stehendes Wohnhaus in der Nähe von ÅmÃ¥l vor einem Monat. Alle sind nach Stockholmgezogen.«
    Â»Ich nehme an, du zeigst uns das aus einem besonderen Grund«, sagte Arto Söderstedt.
    Die A-Gruppe hatte sich mit der Expertengruppe und der Einsatzleitung im Konferenzraum der Immobilienagentur versammelt. Der Raum war bedeutend größer als die gute alte Kampfleitzentrale. Außerdem gab es unbegrenzte Mengen Ramlösa und Loka. Überfluss und Wahlfreiheit.
    Â»Dieses Haus wurde mitsechzig Kilo Dynamex gesprengt«, sagte Hultin. »Die Geiselnehmer haben einhundert. Nur zum Vergleich.«
    Der Vergleich tat seine Wirkung.
    Wieder über die A-Gruppe zu blicken war schon seltsam. Als existierte die Zeit nicht. Als wäre es möglich, die Vergangenheit zu ändern.
    Bevor er weitersprach, bohrte Jan-Olov Hultin den Blick in die Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart und fragte unumwunden: »Ist jemand hier im Raum, der glaubt, dass Eile geboten ist, dass es den Geiselnehmern plötzlich in den Sinn kommen könnte, Geiseln hinzurichten?«
    Ein ziemlich einheitliches gemeinsames Kopfschütteln.
    Hultin nickte und drückte wieder eine Taste am Laptop. Die Wand hinter ihm leuchtete wieder auf. Diesmal war es wirklich ein Foto. Ziemlich dunkel und mit niedriger Auflösung, aber es war dennoch deutlich, dass es sich um ein Bild aus der Bank handelte. Ein schwarz maskierter Mann saß an einem Schreibtisch und hielt einen Telefonhörer in der Hand. Rechts von ihm war die Hälfte eines weiteren Mannes zu erkennen, mit einer Maschinenpistole. Und links auf dem Schreibtisch stand eine prall gefüllte Sporttasche. Ein paar Fünfhunderter ragten daraus hervor.
    Ein leichtes Raunen ging durch die Versammlung.
    Â»Aber es gab doch keine Kameras mehr da drinnen«, sagte Viggo Norlander.
    Â»Gab ist richtig«, sagte Hultin. »Jetzt gibt es eine.«
    Â»Aber wie denn?«, wollte Norlander wissen.
    Â»Das ist eine lange Geschichte.«
    Â»Und ich glaube, wir sollten sie kennen«, sagte Arto Söderstedt.
    Hultin schnitt eine Grimasse, und Paul Hjelm erhob sich von seinem Platz auf der anderen Seite des enormen runden Konferenztischs. Sie waren wie die Ritter der Tafelrunde. Wer König Artus war, blieb noch ein wenig im Unklaren, doch dass Hjelm Parzival war, stand außer Frage. Der Falsche. Oder möglicherweise Bevidere, der Überlebende, der nach dem großen Kampf Excalibur zurückschleudert zur Herrin des Sees.
    Â»Ich habe mich schon gefragt, was der König der Internermittler hier tut«, sagte Jorge Chavez. »Ist es ein Polizist, der da drinnen sitzt und fotografiert? Oder sind die Bankräuber Bullen?«
    Aber Paul Hjelm war nicht zu Scherzen aufgelegt. Im Gegenteil, Chavez hatte plötzlich das Gefühl, dass sein bester Freund außer Funktion gesetzt war und litt. Was er überhaupt nicht kannte.
    Â»Meine frühere Frau Cilla ist eine der Geiseln«, sagte Hjelm tonlos. »Sie hat ein Handy mit Fotofunktion.«
    Wieder ging ein Raunen durch das Auditorium. Ein persönlicheres Raunen mit einem bedauernden Klang, der all die Worte ersetzen musste, die sie nicht aussprechen konnten, all die Gesten, für die es in der gegenwärtigen Situation keinen Platz gab. Das Einzige, worauf es jetzt ankam, war Effizienz.
    Â»Kommentare zu dem Bild?«, fragte Hultin sachlich.
    Â»Sie sammeln Bargeld«, sagte Kerstin Holm.

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