Totenmesse
»Sie rechnen wirklich damit, da herauszukommen.«
»Das bedeutet, dass wir uns auf einen Geiseltransport einstellen müssen«, sagte Arto Söderstedt, »vermutlich nach Arlanda. Sind wir darauf eingestellt?«
»Wir kommen darauf zurück, wenn wir uns das Gespräch mit den Geiselnehmern genauer anhören«, sagte der Reichskrimchef.
»Weiteres?«, sagte Hultin. »Wo sitzen sie? Naess?«
Der norwegische Direktor von Andelsbanken studierte das Bild und wandte sich an seinen Sicherheitsbeauftragten, einen hartgesottenen Typ um die fünfzig mit rasiertem Kopf und einer aller Wahrscheinlichkeit nach militärischen Vergangenheit. Als dieser sich äuÃerte, sprach er ein völlig anderes Norwegisch als sein Chef. Es ertönte eine Ansammlung gutturaler Silben, die sich wie eine Mischung aus Albanisch und Baskisch anhörte. Mit pikanter Bantu-Einfärbung.
»Was?«, platzten mindestens fünf Personen heraus.
»Ich übersetze es«, sagte Haavard Naess trocken. »Geir kommt von Langøya.«
Das erklärt die Sache, dachte Hultin, sagte aber etwas anderes: »Können wir mal den Grundriss sehen?«
Der junge Techniker, der neben Hultin saÃ, drückte ein paar Tasten seines Laptops, und der Grundriss der Bank erschien auf der Wand neben dem Foto.
»Sie sitzen in dem auf der Skizze mit âºfünfâ¹ bezeichneten Raum«, sagte Naess und zeigte darauf. »Der hintere Büroraum, ganz am Ende.«
Eine weitere Sammlung nichtindoeuropäischer Silben entwich den gespannten Lippen des Sicherheitsbeauftragten Geir.
»Und das Bild«, dolmetschte Naess, »scheint vom FuÃboden aus in Raum vier aufgenommen zu sein.«
Hultin zeigte auf den Grundriss. »Hier«, sagte er, als bedürfte die Zahl 4 einer besonderen Erläuterung.
»Der Raum, der am schwersten zu erreichen ist«, sagte der NE-Chef mit wie üblich gerunzelter Stirn. »Wahrscheinlich sitzen die Geiseln einzeln bis dahin. Als lebende Schutzschilde. Wir brauchen mehr Bilder.«
»Ich werde den Teufel tun und mehr Bilder von ihr fordern«, stieà der immer noch stehende Paul Hjelm aus. »Sie hat schon für eine SMS und eine MSS ihr Leben riskiert.«
»MMS«, korrigierte Kerstin Holm leise.
»Wir sollten die Frage wirklich diskutieren«, sagte Hultin. »Es wäre natürlich groÃartig, wenn wir mehr Bilder hätten.«
»Wie kommt es denn, dass Cilla da sitzen und fotografieren kann?«, fragte Chavez. »Warum haben sie ihr Handy nicht einfach zertreten?«
»Können zwei Personen wirklich hundert Kilo Dynamex hinein tragen ?«, sagte Arto Söderstedt in einem Ton, der verriet, dass er keine Antwort, nicht einmal eine Reaktion erwartete.
Und so war es auch.
»Es lässt auf einen Mangel an Professionalität schlieÃen, der mich stört«, sagte der NE-Chef. »Einer Geisel ein Handy zu lassen bedeutet, dass man nicht einmal die Grundregeln des Filzens beherrscht.«
»Plus Waffen und mehrere leere Taschen und Spraydosen«, sagte Söderstedt. »Während man gleichzeitig wild um sich schieÃt.«
»Spraydosen?«, sagte Viggo Norlander.
»Die Fenster sind schwarz gesprayt«, sagte der NE-Chef ohne eine Spur von Interesse.
Geir war desto begeisterter. Sein Gurgeln dolmetschte Naess als: »Wenn man keine Person filzen kann, ist man kaum im russischen Militär gewesen. Geschweige denn in der russischen Mafia.«
»Und dann ist man â was?«, fragte Sara Svenhagen. »Polizist?«
»Amateur«, sagte Geir klar verständlich.
Das führte dazu, dass es tatsächlich für mehrere Sekunden still wurde. Es ging ein Seufzen der Erleichterung durch die Versammlung, als der nächste Wortschwall des Sicherheitsbeauftragten gänzlich undurchdringlich war. Die Ordnung war wiederhergestellt. Und Naess übersetzte mit gleichbleibender Geduld: »Es ist genauso amateurhaft wie das Telefongespräch.«
»Ich dachte, dass wir gleich auf das Telefongespräch eingehen sollten«, sagte Hultin, um ein wenig Terrain zurückzuerobern. Und in diesem Sinne fuhr er fort: »Doch zuerst einige Fragen, die an das Foto anschlieÃen: 1. Sollten wir Cilla kontaktieren, damit sie mehr Bilder macht? Risiken, Vorteile? 2. Wenn ja, was für Bilder interessieren uns? 3. Ist diesem Bild noch mehr zu entnehmen?«
»Arto, meinst du, dass der Sprengstoff schon
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