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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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schloss für einen Moment die Augen. Ihr war schwindelig.
    Die Leopardenhaare von den Tatorten. Die Mitglieder der Leopardengesellschaft kleideten sich in solche Felle, wenn sie mordeten. Ein solches musste auch der Lemfelder Täter besitzen – und sicher hatte er sich ein Originalstück aus Afrika mitgebracht. Es gab nur eine Möglichkeit, solche Dinge legal einzuführen: als Ausstellungsstücke für ein Museum. Und die KTU hatte an den Raubtierhaaren eine spezielle Substanz für Tierpräparate gegen Mottenfraß festgestellt. Alex war davon überzeugt, dass dieser Wirkstoff auch an anderen Exponaten in der Völkerkunde-Abteilung des Lemfelder Landesmuseums zu finden wäre.
    Alex sagte zu Schneider: »Ich glaube, ich weiß, wer er ist.«
    »Was?«, hakte Schneider nach.
    Alex nickte und durchwühlte ihre Handtasche. Schließlich fand sie ihn – den Flyer des Landemuseums über die Sonderausstellung von Mumien. Sie hielt ihn Schneider wortlos hin. »Der Leopard ist nach Afrika gereist, um mehr über die Geheimnisse der Verwandlung zu erfahren, die ihn von Kindesbeinen an faszinieren. Er hat dort als weißer Leopard an der Elfenbeinküste von sich reden gemacht. Teils lagen dort mehrere Jahre zwischen den Morden, weil der Leopard nicht immer da war. Er kam nämlich anlässlich verschiedener ethnologischer Projekt- oder Forschungsreisen nach Afrika – um mehr über die Leopardengesellschaft zu erfahren und dort zu töten, wo er sich vermeintlich sicherer fühlte als in Deutschland.«
    »Ein Ethnologe?«, keuchte Schneider ungläubig und faltete den Leporello auf und zu.
    »Marc Berner vom Landesmuseum. Er hat mir mit den Schriftzeichen von den Tatorten geholfen. Er hat mir auch diesen Flyer gegeben – mit dem Hinweis, dass er mir ja mal eine Privatführung durch die Ausstellung geben könne. Ich hielt das damals für eine plumpe Anmache, aber …« Alex legte sich die Hand über die Augen. Sie brannten.
    Sie erklärte Schneider, was Kowarsch herausgefunden hatte, und zeigte ihm die Liste mit den Kfz-Zulassungen. Sie erklärte, dass das Museum vor einem millionenschweren Umbau und einem Strukturwandel sowie einer Neukonzeption stand. Vielleicht ausreichend Gründe, um einen Fetischgott wie den, von dem sie in Afrika gehört hatte, um gutes Gelingen zu bitten und ihn mit Opfern zu besänftigen. Berner hatte jedenfalls stets gestresst gewirkt, wenn sie ihn traf oder sprach – und da war noch etwas: Das Museum war von der Firma Hankemeier eingerüstet worden. Von der Firma seines Zwillingsbruders.
    »Ich denke, er hat Mia in seiner Gewalt«, sagte Alex. »Und er ist der Leopard.«
    »Aber wo ist Mia?«, fragte Schneider und wedelte mit dem Faltblatt.
    Alex seufzte.
    Der Motor des Streuwagens brummte. In dem Schneegestöber waren nun Straßenleuchten zu erkennen. Sie mussten sich inzwischen dem Ring der Fachmarktzentren nähern, der Lemfeld fest umschlossen hielt. Sie betrachtete das Faltblatt, mit dem Schneider fächelte. »Mythen, Mumien, Metamorphosen«, stand darauf. Berner hatte Alex das Blatt gegeben, weil er die Sonderausstellung kuratierte und diese Privatführung …
    Alex stockte. »Zum Landesmuseum – so schnell wie möglich«, sagte sie zu dem Fahrer und erkannte an Schneiders Blick, dass auch er begriffen hatte, wo der Leopard womöglich seine Beute gefangen hielt.
    Sofort beschrieb der Streuwagen eine weit ausladende Linkskurve und bog auf den Kernstadtring ein. Im selben Moment griffen Alex und Schneider zu ihren Handys und begannen zu telefonieren.

83.
    D er moderne Zentralbau des Lemfelder Landesmuseums glich einem auf den Kopf gestellten Aquarium und bestand rundherum aus Glas. Er verband zwei historische Gebäude miteinander, die von außen an das Weiße Haus in Washington mit seiner Säulenfront erinnerten. Der Bau lag inmitten eines kleinen Parks, in dem sich von Eis und Schnee schwere Baumkronen gefährlich nach unten neigten. Auf dem gepflasterten Platz vor dem Haupteingang befand sich ein Brunnen aus dem achtzehnten Jahrhundert mit einer Bronze, die spielende Nereiden darstellte. Im Sommer saßen hier oft Museumsbesucher oder junge Mütter mit Kinderwagen, die auf den Stufen ein Eis aßen und die Sonne genossen. Heute lag alles unter einer dicken weißen Schneedecke begraben.
    Da Montag war, war das Museum geschlossen. Die Außenbeleuchtung strahlte den Hauptbau an, von dem lange Eiszapfen herabhingen. An der Straße davor hielt mit laufendem Motor der Streuwagen.
    Alex’ Finger

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