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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Er unterbrach sich. »Frau Stietencron?«
    Der Mann hob das Gesicht ins Licht und sah Alex fassungslos an.
    Alex suchte nach Worten: »Dr. Pfeiffer? Was machen Sie denn hier?«
    Pfeiffer starrte auf Alex’ Waffe. »Ich gehe hier bloß lang, meine Güte. Ich gehe nach Hause. Ich wohne im Penthouse über der Praxis.«
    Alex ließ die Waffe etwas lockerer und schluckte. Ihr Puls beruhigte sich etwas. »Woher kommen Sie gerade?«
    »Aus dem Restaurant. Ich war mit Freunden essen und gehe zu Fuß nach Hause.«
    Alex dachte an die Böschung. Die Parallelstraße. An das Im-Kreis-Gehen. Sie musterte Pfeiffer. Kein Schnee am Mantel, der von einer Hecke stammte. Nun, Schnee konnte man abklopfen. Sie fragte: »Warum wählen Sie gerade diesen Weg?«
    »Weil er …« Pfeiffer deutete mit der Hand nach vorne und blickte Alex an. Dann ließ er die Hand wieder sinken. »Also, Frau Stietencron, bitte. Ich weiß ja nicht, was die Polizei hier gerade tut, aber das ist doch eine absurde Situation.«
    »Warum gehen Sie nicht an der Straße entlang?«
    Pfeiffer deutete wieder mit gestreckter Hand nach vorne. Er geriet zunehmend außer sich. »Weil … Meine Güte, weil der Eingang zum Penthouse hinten liegt an den Parkplätzen und ich immer hier langgehe. Weil es fünfzig Meter kürzer ist.«
    Alex steckte die Waffe in die Tasche der Daunenjacke und zog den Reißverschluss zu. Würde Pfeiffer erst unter ihrem Fenster herumlungern, dann über den Spielplatz laufen, eine Runde schaukeln, über den Bach springen, durch die Öffnung im Gebüsch schlüpfen, die Böschung hinauflaufen und dann in einem großen Bogen den gleichen Weg nochmals antreten? Wozu sollte er das tun, wenn er entkommen wollte? Mist, dachte Alex, das hier entwickelte sich von einem Moment auf den nächsten von einer sehr bedrohlichen zu einer verdammt peinlichen Situation.
    Sie sagte: »Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Herr Pfeiffer. Hier läuft gerade eine polizeiliche Ermittlung, und …«
    »… und ich laufe mitten hinein.«
    »Ich habe einen Flüchtigen verfolgt, hörte die Schritte, und ich dachte …«
    »Ich bin kein Flüchtiger.«
    »Ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken.«
    »Haben Sie aber!«
    Alex machte eine entschuldigende Geste und versuchte ein Lächeln. »Es tut mir wirklich leid. Entschuldigen Sie noch einmal. In der Dunkelheit hier … Ich weiß auch nicht.«
    Pfeiffer stieß genervt einen Schwall Luft aus, der wie eine Rauchfackel aus seinem Mund puffte. »Okay. Was soll ich sagen. Kann ja mal passieren.« Er setzte seine Mütze wieder auf. »Wem sind Sie denn auf den Fersen?«
    »Einem Einbrecher«, log Alex.
    »Ach, deswegen steht an der Straße ein Streifenwagen.«
    Waren die Kollegen etwa schon wieder da? Alex sagte: »Ja, genau. Deswegen steht der da.«
    »Wo wurde denn eingebrochen?«
    »Darüber darf ich nicht sprechen.«
    Pfeiffer nickte mehrfach. »Tja. Kann ich dann weiter?«
    »Natürlich.« Alex trat einen Schritt zur Seite.
    »Was macht der Knöchel?«
    Sie lächelte. Diesmal gelang es besser. »Geht schon wieder.«
    »Na ja, wir haben ja demnächst einen Kontrolltermin.«
    Jetzt lächelte Pfeiffer ebenfalls, etwas krampfhaft allerdings. »Frohe Weihnachten dann noch, Frau Nachbarin«, sagte er und setzte seinen Weg fort.
    Alex schloss die Augen, blähte die Backen und stieß mit einer Atemwolke ein leises »Fuck« aus. Schließlich ging sie zurück zur Straße, wo tatsächlich der Streifenwagen stand. Sie klopfte ans Fenster, und sogleich wurde die Scheibe heruntergelassen. Dahinter erkannte Alex ein bekanntes Gesicht unter einem blonden Schopf – Finja Werner. Offensichtlich hatte sie heute die Spätschicht erwischt. Verbunden mit dem Job, auf Alex aufzupassen. Neben ihr am Steuer saß ein Polizist mit knallroter Brille. Jürgen.
    »Hey, Alex«, sagte Finja. Sie hielt einen Milchshake mit Strohhalm in der Hand. »Alles klar?« Sie wirkte besorgt.
    »Habt ihr eben einen Mann vorbeikommen sehen?«
    Finja nickte. »Ja, gerade als wir zurückkamen. Waren nur schnell am Drive-in. Etwa eins achtzig groß, Dufflecoat, Strickmütze, um die vierzig Jahre alt. Der kam den Bürgersteig entlang und ist am Kiosk in die Gasse abgebogen.«
    »Ist euch sonst noch jemand aufgefallen?«
    Finja schüttelte den Kopf. »Warum fragst du das? Und was machst du hier draußen?«
    Alex erklärte, was passiert war. Dass sie einen Mann unter der Straßenlaterne gesehen hatte. Vielleicht der Täter, der sie verfolgte. Dass er ein Lied

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