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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Baches und erkannte in etwa dreißig Metern Entfernung eine weitere Laterne. Dort meinte sie die Umrisse eines Schilds zu erkennen. Wahrscheinlich markierte es den Eingang zum Kinderspielplatz.
    Sie ging weiter voran, die Waffe nach wie vor zu Boden gerichtet. Der trockene Schnee knirschte unter den Sohlen ihrer Stiefel. Der Wind ließ die vereisten Äste der Bäume klirren. Trotz der dämmerigen Dunkelheit nahm sie mit weitgeöffneten Augen Details um sich herum wahr. Die Reifenspuren von Kinderwagen im Schnee. Die Verpackung eines Schokoriegels am Fuß der Hecke. Ein Stück Plastiktüte unter einem Schneehaufen. Alex’ Sinne waren geschärft wie die eines Raubvogels, der in der Nacht nach Beute jagt. Und schließlich nahm dieser Raubvogel etwas wahr: ein metallisches Quietschen.
    Alex erreichte die nächste Laterne und das Schild am Spielplatz. Sie drehte sich leicht um die eigene Achse, richtete den Oberkörper parallel zu der Kette aus, die den Eingang zum Spielplatz versperrte. Sie war mit einer Schicht aus Schnee verkrustet. Alex wünschte sich, sie hätte die LED-Lampe dabei, die zu der Glock gehörte.
    Der Bach blubberte. Der Wind rauschte. Und immer noch quietschte etwas. Das Geräusch kam aus Richtung des Spielplatzes.
    Alex blickte nach rechts. Etwa dreißig Meter weiter gab es die nächste Abzweigung. Sie führte zu der Parkfläche mit den Haltebuchten am Ärztehaus. Von dort aus gelangte man wieder auf die Straße. Sie sah zurück zum Spielplatz. Von dort aus gelangte man wohl nirgends hin. Schließlich stieg sie über die Kette hinweg und versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen.
    Der Spielplatz maß etwa zehn mal zehn Meter. Links und rechts standen Bänke. Es gab einen Sandkasten. Tierfiguren auf Metallspiralen zum Wippen. Eine Rutsche. Alles war von Schnee bedeckt. Und da war noch das Gerüst einer Schaukel. Alex bewegte sich darauf zu. Als sie da war, verstand sie, woher das Quietschen rührte. Die Sitzflächen waren an Ketten befestigt. Sie schwangen hin und her. Das mochte am Wind liegen. Aber die eine Sitzfläche war mit Schnee bepudert. Nicht so die andere. Jemand, dachte Alex, schien hier gesessen zu haben. Vielleicht nachmittags, vielleicht auch erst gerade eben.
    Nun nahm sie die Glock mit beiden Händen hoch und hielt die Luft an. Drehte sich langsam um die Körperachse. Betrachtete, soweit das wenige Licht es zuließ, jeden Winkel. Doch da war niemand. Nirgends.
    Hinter der Schaukel fiel ihr nun eine Art Durchgang auf. Ein Bereich zwischen den Hecken, der nicht bewachsen war. Alex ging darauf zu und stand schließlich am Ufer des schmalen Bachlaufs. Teile des schwarzen Wassers waren mit Eisplatten bedeckt, und man konnte mit einem größeren Schritt einfach darüber hinwegschreiten. Der Durchlass schien zu einer Böschung zu führen. Die Böschung wiederum zu einigen Wohnhäusern, die an der Parallelstraße liegen mussten. Es sah aus, als sei an den Rändern der Öffnung in der Hecke Schnee von den Ästen gefallen. Am Ufer war das pudrige Weiß platt getreten. Die Spuren wirkten frisch. So, als sei gerade erst jemand hindurchgeschlüpft.
    Ein Geräusch ließ Alex herumfahren. Schritte. Knirschen im Schnee. Für einen Moment begann die Welt zu taumeln. Alex spürte, wie trotz der Kälte der Schweiß von innen gegen die Poren drängte. Der Puls wühlte wie ein lebendiges Wesen in ihren Adern. Sie hastete so leise wie möglich quer über den Spielplatz und kam hinter dem Schild zum Stehen.
    Die Schritte kamen näher. Schnell und bestimmt. Nicht darauf bedacht, ungehört zu bleiben. Alex lauerte hinter einem Gebüsch und wartete ab. Sie überlegte, dass man von der Parallelstraße aus wieder auf den Weg zurückgelangen konnte, wenn man sozusagen im Kreis ging.
    Den Weg, der zum Ärztehaus führte, konnte sie einsehen. Den anderen Abschnitt nicht, und von dort näherte sich jemand unaufhaltsam in ihrem Rücken. Sie schloss die Augen, presste die Lider aufeinander, atmete zweimal tief durch. Dann fasste sie sich ein Herz und stellte sich breitbeinig auf den Weg. Und sah einen dunkel gekleideten Mann direkt auf sich zukommen.
    Sie rief: »Stopp, Polizei!«
    Der Mann blieb sofort stehen und hob die Hände, wie um Alex zu beschwören. Er trug eine Art Dufflecoat und eine Strickmütze. Das Laternenlicht von oben ließ sein Gesicht im Schatten verschwimmen.
    Nach einer Sekunde sagte der Mann atemlos: »Ich gehe hier bloß lang. Entschuldigung. Ich habe nichts weiter gemacht, als hier lang…«

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