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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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sie mit uns und keinem anderen die nächsten zwanzig Jahre klarkommen muss. Dann sind wir an der Reihe, und früher oder später wird sie das kapieren.«
    Alex verzog das Gesicht. »Also, ich weiß ja nicht.«
    »Und was willste bei Möbius? Heulen, dass die böse Veronika uns die Förmchen aus der Hand genommen hat? Der hat eine Verhaftung und einen Staatsanwalt und Landrat, die sich darüber freuen, dass die neue Chefin sofort einen Treffer gelandet hat.«
    »Trotzdem bin ich jetzt wieder die Blöde, weil ihr so dermaßen abgestumpft seid und nicht die Zähne auseinanderbekommt.«
    »Mein Opa hat immer gesagt: Wer sich aus dem Fenster hängt, dem weht auch der Wind ins Gesicht. So ist das nun mal, also beschwer dich nicht.«
    Alex winkte ab. Zwecklos. Schneider und die Weisheiten seines Opas – mittlerweile fragte sie sich, ob es diesen Opa wirklich gab.
    Er lächelte. »Gehen wir was trinken?«
    Alex zog die Gutscheine vom Art-Café aus der Hintertasche ihrer Jeans und knallte sie auf den Tisch.
    »Gehen wir was trinken«, antwortete sie.

55.
    A lex starrte durch die beschlagenen Scheiben des proppenvollen Art-Cafés am Marktplatz, in dem wechselnde Ausstellungen lokaler Künstler gezeigt wurden. Im Sommer standen unzählige Korbstühle draußen vor der Tür, und man musste an schönen Tagen ausgesprochenes Glück haben, um einen freien Platz zu ergattern. Jetzt rangierten dort Lieferwagen mit SUVs und Kleinlastern um die Wette, die die Holzbuden des Weihnachtsmarkts abholten. Direkt nebenan lag ein Schnellfriseur namens »Cutter«, wo Zehn-Euro-Schnitte zu donnernder Black-Music zu bekommen waren. Schneider hatte sich gerade einen solchen gegönnt. Dabei hätte Alex fünfzig Euro gewettet, dass er einen Friseur von der alten Sorte bevorzugen würde, einen, der morgens um sechs öffnete und abends um acht schloss, eine Föhnfrisur wie Engelbert trug und beim Festknoten des Schutztuchs kurz fragte »Wie immer?«, bevor er aufs Wetter oder auf die Bundesliga zu sprechen käme.
    »Ah, lecker«, sagte Schneider jetzt, strich sich über die gerade abgeschnittenen Haare und freute sich an dem Birnenkuchen, der ihm von einem schlaksigen Kellner mit Buddy-Holly-Brille und Backenbart namens Artur Jäger serviert wurde.
    Jäger blickte unsicher zwischen Kowarsch und Reineking hin und her, die beide telefonierten, und stellte ihnen jeweils eine Tasse Schokolade mit Sahnehäubchen hin, ließ Schneiders Apfelschorle folgen und plazierte schließlich einen doppelten Café Americano vor Alex. Sie schob Jäger die Gutscheine zu, der sagte: »Ähm, könnte vielleicht sein, dass es heute Abend etwas lauter wird. LAN-Party bei mir.«
    »Wow?«, fragte Alex und überlegte, ob Artur in seinem anderen Leben wohl eher eine vollbusige Zauberin, eine schlanke Elfe oder einen Drei-Meter-Ork abgab.
    Jäger nickte. »Ein paar Freunde kommen mit ihren Rechnern rüber, und wenn man ein Headset aufhat – na ja, ist man manchmal irgendwie etwas lauter dann.«
    »Kein Problem«, lächelte Alex zu Artur, der sich wieder entfernte und dabei immer noch unsicher guckte – so, als würde Alex mit dem Paten von Lemfeld und ein paar Auftragskillern an dem kleinen Bistrotisch sitzen.
    »Apfelschorle zum Birnenkuchen?«, fragte sie Schneider und schloss ihre eiskalten Hände um die Tasse.
    »Ich soll nicht so viel Kaffee trinken und mehr Obst essen, sagt Maria«, antwortete Schneider und biss in seinen Kuchen.
    Alex tippte nebenbei auf ihrem Smartphone herum. Eine E-Mail war eingegangen. Sie war im Kriminalkommissariat des Polizeipräsidiums von Abidjan an der Elfenbeinküste abgeschickt worden. Alex überflog die Zeilen. Sie verstand genug Französisch, um zu begreifen, dass ihre Befürchtungen sich bewahrheiteten und man ihr zu den beiden von ihr angefragten Fällen keine Daten digital zur Verfügung stellen konnte. Dafür war die Kontaktadresse nebst Telefonnummer eines ermittelnden Polizisten namens Roger M’Obele angegeben worden. Alex beschloss, ihm später zu schreiben.
    Kowarsch beendete sein Telefonat. Auch Reineking legte sein Handy beiseite und schlürfte die Sahne von der Schokolade ab. Ein wenig davon blieb an seiner Nasenspitze hängen. Er wischte es weg. »Also«, sagte er und sah Alex an, »was hast du für uns?«
    Alex erzählte von ihrem Termin beim LKA, von ViCTOR und dem, was die Datenbank ausgespuckt hatte. Sie begann mit den Fällen aus Afrika.
    »Vor etwa sechs Jahren«, erklärte Alex und breitete Kopien der

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