Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Unmengen von Sommersprossen.
»O Mann.«
»Laut Greenberg hielt Menard sich immer weniger in Chico auf und ließ schließlich das Studium ganz sein. Sie war mit ihrer Doktorarbeit beschäftigt und dachte nicht mehr groß an ihn.«
»Haben Sie in Yuba City jemanden gefunden, der sich noch an Catts erinnert?«
»Ein altes Paar. Sie wohnen noch immer in einem Wohnwagen neben dem, den Catts gemietet hatte.«
»Lassen Sie mich raten. Netter junger Mann. Still. Eher verschlossen.«
»Auf den Punkt.«
Charbonneau nahm Greenbergs Foto wieder zur Hand und betrachtete es, wie man einen Kothaufen auf dem Rasen anschaut.
»Luc und ich fahren runter nach Vermont und zeigen das Bild herum. Mal sehen, ob wir nicht ein paar Erinnerungen wachrütteln können.«
Nachdem Charbonneau gegangen war, wählte ich Annes Handynummer. » Es tut uns Leid. Der Teilnehmer … «
Ich arbeitete mich durch die Zeitschriften, die die Bibliothekarin für mich herausgesucht hatte. British Journal of Psychiatry. Behavioral Sciences and the Law. Medicine and Law. Bulletin of the American Academy of Science and the Law.
Es brachte nichts. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab.
Ich rief Anne noch einmal an. Ihr Handy war noch immer ausgeschaltet.
Ich rief Tom an. Er hatte nichts von seiner Frau gehört.
Ich rief Annes Brüder in Mississippi an. Keine Anne. Kein Anruf.
Ich zwang mich wieder zur Lektüre zurück.
Ein Artikel beschäftigte sich mit Leonard Lake und Charles Ng, den kalifornischen Genies, die unterirdische Bunker gebaut hatten, um Sexsklavinnen darin gefangen zu halten.
Vor Gericht argumentierten Ngs Anwälte, ihr Mandant sei nichts als ein Zuschauer gewesen, eine abhängige Persönlichkeit, die sich danach sehnte, geführt zu werden. Die Verteidigung behauptete, Lakes Ex-Frau sei die eigentlich treibende Kraft gewesen.
Genau, Charlie. Du warst ein Opfer. Wie die arme kleine Karla Homolka.
1991 wurde die vierzehnjährige Leslie Mahaffy zerstückelt und in einem Betonmantel in einem See in Ontario gefunden. Im Jahr darauf tauchte die fünfzehnjährige Kristin French nackt und tot in einem Graben auf. Beiden waren misshandelt, vergewaltigt und ermordet worden.
Paul Bernardo und seine Frau Karla Homolka wurden daraufhin verhaftet. Da sie beide jung und blond und gut aussehend waren, nannte die Presse sie die Ken-und-Barbie-Mörder.
Als Gegenleistung für eine Aussage gegen ihren Mann gestattete man Homolka, sich des Totschlags für schuldig zu bekennen. Bernardo wurde verurteilt wegen heimtückischen Mordes, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Entführung und Unzucht mit einer menschlichen Leiche.
Wie Lake und Ng hatten auch die Bernardos ihre kleinen Orgien gefilmt. Als die Kassetten schließlich auftauchten, zeigte sich, dass Gatte und Gattin mit identischem Enthusiasmus gequält und gemordet hatten. Aber Karla hatte ihren Deal bereits in der Tasche.
Ich wandte mich eben dem nächsten Artikel zu, als das Telefon klingelte.
»Sie sind verschwunden«. Ryan klang, als würde er vom Uranus anrufen.
»Wer ist verschwunden?«
»Anique Pomerleau und Tawny McGee.«
34
»Wie können sie verschwunden sein?«
»Als die Schwester der Tagschicht nachschaute, waren ihre Betten leer.«
»Gab’s denn keinen Wachposten?«
»Wir haben Feldman gesagt, eine Bewachung sei nicht nötig.«
»Hatte man sie entlassen?«
»Nein.«
»Waren sie allein?«
»Niemand hat sie weggehen sehen.«
»Hatten sie Besucher?« Meine Stimme war zu laut. »Familienangehörige vielleicht?«
»Pomerleaus Verwandte müssen wir erst noch aufspüren. McGees Schwester flog gestern von Alberta nach Osten. Sie und ihre Mutter sind jetzt auf dem Weg von Maniwaki hierher.«
Ein Adrenalinstoß.
»Menard!«
»Ich bin mit seiner Beschreibung auf der Etage hausieren gegangen. Kein Mensch hat jemanden gesehen, der ihm ähnelte.«
»Tawny McGee war gestern hysterisch. Und diese Eierköpfe meinen jetzt, dass sie und Pomerleau einfach ihre Schlüpfer angezogen und sich aus dem Staub gemacht haben?«
»Die Oberschwester glaubt, dass sie vielleicht während eines Schichtwechsels verschwunden sind. Oder irgendwann in der Nacht.«
»Sie hatten doch nichts zum Anziehen.«
»Aus dem Schwesternzimmer sind zwei Mäntel und zwei Paar Stiefel verschwunden. Zusammen mit siebzehn Dollar aus der Kaffeekasse.«
»Wohin sollen zwei desorientierte, obdachlose Frauen denn gehen?«
»Jetzt beruhige dich erst mal.«
Ich schloss die Augen und bemühte mich, meinen
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