Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
weil er sich neun Jahre lang hielt. Von neunundachtzig bis achtundneunzig.«
Ich rechnete schnell nach. »Zwischen der Pfandleihe und dem Nagelstudio stand der Laden eine Weile leer?«
»Ein paar Monate.«
»Und vor dem Pfandhaus?«
»Mal sehen. Achtzig bis neunundachtzig war da ein Taschengeschäft, ein Metzger und eine Art Reisebüro. Die Namen und Daten muss ich in meinen Unterlagen nachsehen.«
»Wenn Sie das tun könnten, Sir.«
Cyr kniff die Augen zusammen. »Dürfte ich Sie mal fragen, warum Sie mich das alles fragen, junge Dame?«
Ich hatte diese Frage erwartet und mich eher gewundert, dass Cyr sie nicht schon früher gestellt hatte. Was sollte ich ihm sagen? Was verschweigen?
»Im Keller Ihres Gebäudes wurde etwas gefunden, das Gegenstand von Ermittlungen ist.«
Ich hatte eine Reaktion erwartet, doch es kam keine, und er fragte auch nicht, wer eigentlich ermittle.
»Darf ich fragen, wie man in den Keller des Gebäudes gelangt?«
»Früher gab’s mal eine Treppe, die zu einer Tür auf Straßenhöhe führte. Bei der Renovierung wurde dieser Zugang zugemauert.«
»Gibt es noch einen Zugang sonst irgendwo im Gebäude?«
Cyr schüttelte den Kopf. »Der Keller wird seit Jahren nicht mehr benutzt. Der einzige Zugang ist durch eine Falltür im crapper. « Ganz offensichtlich war Cyr stolz auf seine Kenntnis der englischen Fäkalsprache und dieses Wortes, das schlicht Scheißhaus bedeutet.
Immerhin meinte er, es seinem Charme schuldig zu sein, sich an Anne zu wenden und zu bitten: »Verzeihen Sie mir den Ausdruck.«
»Ein völlig angebrachter historischer Bezug.«
»Hä?«
»Thomas Crapper.«
Verständnislose Blicke von Cyr und mir.
»Erfinder des geräusch- und ventillosen Wasserverschwendungsverhinderers.«
Noch zwei verständnislose Blicke.
»Ein anderer bekam zwar das Patent dafür, aber Crapper hat die Toilette erfunden.«
Wo hatte sie nur dieses Zeug her?
Cyr ließ ein Lachen hören, das wie eines von Crappers Geistesprodukten klang.
» Sacrifice. Bist echt klasse. Sobald dein Mann nicht mehr die erste Geige spielt, ruf den alten Richard Cyr an, dann zeig ich dir meine Badewanne.«
»Mein Traum. Hab die Nummer schon so gut wie eingespeichert.«
Mit beiden Händen stemmte Cyr sich aus dem Sessel hoch.
»Ich brauch jetzt vielleicht ein paar Minuten, um meine Unterlagen durchzusehen. Wollt ihr einen Scotch, der euch die Zehennägel aufdreht?«
Wieder lehnten Anne und ich ab.
Eine halbe Stunde später kam Cyr mit einem Blatt aus einem Spiralblock in der Hand zurück.
Anne und ich standen auf.
»Wie wär’s, wenn die Damen zum Abendessen bleiben? Wir könnten was bestellen, vielleicht ein paar Enchiladas und Margaritas?«
»Das ist sehr freundlich«, sagte ich. »Aber ich bin noch im Dienst.«
»Ihr wisst ja, wo ihr mich findet.«
Ich zog den Reißverschluss meines Parkas zu, und Cyr brachte uns in die Diele.
An der Tür gab ich ihm meine Karte.
»Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt.«
Cyr gab mir seinen Zettel. »Soweit ich mich erinnere, waren diese Leute ungefähr so gefährlich wie Pilzsuppe.«
»Merci, Monsieur Cyr.«
»Falls da jemand umgebracht wurde, ich hab damit nichts zu tun.« Leise und ohne eine Spur von Humor.
»Wie kommen Sie drauf, dass jemand umgebracht worden sein könnte?« Da Cyr Le Journal nicht erwähnt hatte, nahm ich an, dass er den Artikel nicht kannte.
»Dieser Detective hat mir gesagt, was da unten im Keller war.«
Claudel hatte also Cyr bereits befragt. Der Mistkerl. Wieder hatte er mich im Dunkeln gelassen.
»Tatsächlich?«
»Aufgeblasener kleiner Scheißer.«
»Detective Claudel?«
»Dieses Arschloch hat sich aufgeführt, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. Hab ihm rein gar nichts gesagt.«
»Sagen Sie, Mr. Cyr: Was glauben Sie, wie kamen diese drei Toten in den Keller?«
»Wenn da irgendwas Schlimmes passiert ist, war es vor meiner Zeit.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Sind Sie Nicolò Cataneo je begegnet?« Die Stimme des alten Mannes hätte ein Rasiermesser schärfen können.
Ich schüttelte den Kopf.
»Passen Sie auf sich auf.«
15
Der Schneesturm hatte die Ärmel aufgekrempelt, den Kragenknopf geöffnet und die Krawatte gelockert. Es sah nach einem halben Meter Neuschnee aus.
Auf dem Weg zum Auto sagte Anne kein Wort. Sie sah teilnahmslos zu, wie ich mich in meine Mailbox einwählte.
Keine Nachrichten.
Ich probierte Mrs. Gallant/Ballant/Talents Nummer.
Keine Antwort.
Ich fragte
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