Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Vermont.«
Ich erinnerte Charbonneau an die Strontiumisotopen-Analyse, die Art Holliday mit den Skeletten angestellt hatte.
»Der dentale Strontiumwert deutet darauf hin, dass das Mädchen in Leder im nördlich-zentralen Kalifornien aufgewachsen sein könnte, wissen Sie noch?«
»Ja.«
»Chico liegt im nördlich-zentralen Kalifornien.«
»O Mann.«
»Und denken Sie auch daran, ihr skelettaler Strontiumwert deutet darauf hin, dass sie die letzten Jahre ihres Lebens in Vermont gelebt haben könnte.«
»Verdammt.«
»Was haben Sie sonst noch?«
»Anscheinend ließ Menards Begabung etwas zu wünschen übrig. Schon nach einem Jahr brach er das Studium entweder selber ab oder wurde hinausgeworfen. Hasta la vista. Kein Abschluss.«
»Wo ging er hin?«
»Im Januar sechsundachtzig tauchte er auf Mamas Farm in Vermont auf.«
»Wenn er Chico schon nach einem akademischen Jahr verließ, bleibt eine Lücke vom Ende des Frühjahrssemesters fünfundachtzig bis zum Januar sechsundachtzig. Wo war er in dieser Zeit?«
»Ich werde mal ein paar Nummern in Chico anrufen.«
»Was tat Menard, als er dann wieder in Vermont war?«
»Ich vermute mal, Gemüse anbauen. Lebte von seiner Erbschaft. Bezahlte keine Sozialversicherung, füllte keine Steuererklärungen aus.«
»Haben Sie mit Leuten aus der Gegend gesprochen?«
»Ich habe ein paar Nachbarn aufgetan, die sich noch an ihn erinnern. Die meisten Leute in der Gegend zogen erst dorthin, nachdem Menard wieder gegangen war, aber ein paar von den Alteingesessenen erinnern sich noch an Genevieve Rose und ihren Sohn. Offensichtlich war Mama eine strenge alte Dame. Hielt den Sohn an einer sehr kurzen Leine.«
»Corneau hatte nie wieder geheiratet?«
»Nein. Allein erziehende Mutter. Die Leute erinnern sich an Menard als stillen Jungen und Stubenhocker. Nahm weder an den sportlichen noch den anderen üblichen Schulveranstaltungen teil. Ein paar meinten, sie hätten ihn in dem Jahr nach seiner Rückkehr aus Chico gesehen. Der Kerl musste an der Uni irgendeine Wandlung durchgemacht haben. Machte zu Hause einen ziemlichen Eindruck mit Dreadlocks und Bart.«
»Wir reden von Vermont.«
»Soll heißen?«
»Sehr konservativ. Was hatten die Nachbarn sonst noch zu sagen?«
»Nicht viel. Offensichtlich blieb Menard ziemlich für sich, ging nur aus dem Haus, um einzukaufen oder zu tanken.«
»Reden Sie mit Chico. Finden Sie über diesen Kerl alles heraus, was Sie können. Und beschaffen Sie sich eine Liste aller Mädchen zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig, die in der Gegend verschwanden, als Menard dort war.«
»Ist dieser Menard wirklich Ihr Favorit für die Pizzaskelette?«
»Er hat das klassische psychologische Profil. Dominante Mutter. Unerfüllter Ehrgeiz. Einzelgänger. Abgelegener Wohnort.«
»Ich weiß nicht.«
»Verbinden Sie die einzelnen Punkte, Charbonneau. Im Keller eines Anwesens, in dem Menard neun Jahre lang einen Laden hatte, wurden drei Mädchen vergraben. Die C-14-Datierung deutet darauf hin, dass ihre Todeszeitpunkte in die Zeitspanne fallen, in der Menard dort Mieter war. Louise Parent hielt Menard für so verdächtig, dass sie mich zweimal anrief.«
Ich machte diese Zusammenfassung ebenso sehr für Ryan wie für Charbonneau.
»Laut ihrer Schwester wollte Parent mir sagen, dass sie beobachtet hatte, wie Menard ein bewusstloses Mädchen in seinen Laden trug. Bei einer anderen Gelegenheit hatte sie beobachtet, dass Menard ein flüchtendes Mädchen zurück in seinen Laden zerrte. Beide Vorfälle ereigneten sich spätabends.«
»Und Parent ist jetzt tot«, sagte Charbonneau.
Ich schaute Ryan an. Er hörte sehr aufmerksam zu.
»Und Parent ist jetzt tot«, sagte ich.
»Dann wollen wir mal ’ne Party steigen lassen. Kann sein, dass wir alle dasselbe Feld beackern.«
»Sieht so aus.«
»Ist Ryan da?«
»Ja.«
»Geben Sie ihn mir.«
Ich gab Ryan das Telefon und sah dann zu, wie er Charbonneau zuhörte. Obwohl meine Nerven aufs Äußerste gespannt waren, ließ ich mir nichts anmerken. Kein Hinweis auf den Ruck, den Charbonneau mir eben gegeben hatte. Kein Hinweis auf den Kummer, den Charbonneau am Montag verursacht hatte. Kein Hinweis auf die Qual, die der Anruf vom vergangenen Abend gewesen war.
Ich hatte mir geschworen, zu Ryan auf Distanz zu gehen, aber all die Fäden liefen jetzt zusammen. Da die Parent- und die Pizzakeller-Ermittlungen miteinander verschmolzen, war eine berufliche Trennung jetzt noch nicht möglich.
C’est la vie. Ich würde das
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