Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
ganz professionell angehen. Ich würde meine Arbeit tun. Dann würde ich Ryan alles Gute wünschen und weiterziehen.
»Ja, so ist sie.« Ryan kicherte so, wie Männer kichern, wenn sie Witze über eine Frau reißen.
Paranoia brüllte auf. Was ist sie? Welche Sie?
Vergiss es, Brennan. Konzentrier dich auf den Fall. Leg deine ganze Energie da rein.
Ich stellte mir vor, wie diese Knochen in ihren anonymen Kellergräbern lagen, während Menard oben in seinem Laden kaufte und verkaufte. Elektronikware, die irgendein Junkie für den nächsten Schuss gestohlen hatte. Familienerbstücke, die mit Bedauern versetzt wurden.
Ich stellte mir Menard in Vermont vor, wie er Erbsen und Kartoffeln harkte. Menard in Kalifornien, wie er Struever, Binford, Buikstra und Fagan las.
Ein halb ausgegorener Gedanke meldete sich.
Chico.
»… hab sie hier.« Ryan drehte die Serviette zu sich, um Menards Adresse abzulesen.
Chico liegt im nördlich-zentralen Kalifornien. Das wusste ich. Warum dann dieses Fingerschnippen in meinem Hinterkopf?
Das war es nicht. Da war noch irgendwas anderes. Aber was?
»Mach ich«, sagte Ryan.
Charbonneau sagte etwas.
»Ja. Ihm ein bisschen auf den Zahn fühlen. Mal sehen, wie er reagiert.«
Ryan schaltete ab und gab mir das Handy.
»Lust auf einen kleinen Plausch mit diesem Kerl?«
»Menard?«
Ryan nickte.
»Auf jeden Fall.«
Der Hinterkopf schien sich ein wenig zu entspannen.
Als Ryan und ich das Restaurant verließen, hatten wir keine Ahnung, dass wir beobachtet wurden.
26
Der Umriss von Montreal erinnert mich an einen Fuß, wobei der Dorval Airport und die westlichen Inselvorstädte das Sprunggelenk bilden, die Zehen nach Osten weisen und die Ferse sich zum St. Laurent hin senkt. Verdun ist der Fersenballen und Pointe-St-Charles ein winziger vorderer Ballen.
Der Pointe wird oben vom Canal Lachine begrenzt und unten vom Eisenbahngelände der Canadian Pacific. Vieux-Montréal mit seinen Häfen liegt im Osten. Ursprünglich bewohnt von Einwanderern, die an der Errichtung von Montreals Brücken arbeiteten, hatte der Pointe viele Straßennamen, die auf eine starke irische Präsenz hindeuten. Rue St. Patrick. Sullivan.
Aber das ist Vergangenheit. Heutzutage ist der Pointe vorwiegend französisch.
Weniger als zwanzig Minuten, nachdem wir Lafleur verlassen hatten, bog Ryan auf die Rue Wellington ein, die westöstliche Hauptarterie dieses Viertels. Wir kamen an Sportgeschäften und Tattoo-Salons vorbei und am MH Grover Bekleidungshaus, eine Wellingtoner Institution seit Jahrzehnten. Hier und dort belebte ein flottes Café die eintönige Straße.
Ryan hielt an, wo die Rue Dublin von links auf die Wellington stieß. Eine Reihe viktorianischer Häuser auf der rechten Seite wirkte unpassend verspielt mit ihren pastellfarbenen Anstrichen, den reich verzierten Holzarbeiten, den Backsteinbögen und den Bleiglasfenstern. Im Milchglas über einer Eingangstür konnte ich den Schriftzug »Dr. George Hall« entziffern.
Ryan bemerkte meinen verwunderten Blick.
»Doctor’s Row«, sagte er. »Erbaut im neunzehnten Jahrhundert von reichen Ärzten, die prestigeträchtige Residenzen wollten. Das Viertel hat sich seitdem aber ein bisschen verändert.«
»Sind das noch immer Privathäuser?«
»Ich glaube, sie sind in Eigentumswohnungen unterteilt.«
»Wo ist die Rue de Sébastopol?«
Ryan deutete mit dem Kopf nach links. »Das da ist der reinste Irrgarten, jede Menge Sackgassen und Einbahnstraßen. Ich glaube, die de Sébastopol führt am Rand des Eisenbahngeländes entlang.«
Als Ryan in die Dublin einbog, sah ich durch mein Fenster ein historisches Hinweisschild.
»Was ist der Parc Marguerite-Bourgeoys?«
» Mon dieu, Madame la docteure, diese Dame ist eine der höchstgeschätzten Persönlichkeiten Quebecs. Im siebzehnten Jahrhundert richtete Schwester Maggie Schulen für kleine Mädchen ein. Für das damalige Quebec eine ziemlich radikale Idee.
Außerdem gründete sie einen Orden, die Sœurs de la Congrégation de Notre Dame. Vor ein paar Jahren beförderte die Kirche sie in die Gehaltsklasse Heilige.«
»Warum das Schild?«
»Um 1650 herum erhielt Bourgeoys ein ziemlich großes Stück dieser kleinen Insel. Die Nonnen verkauften das Land parzellenweise, und jetzt bedeckt Pointe St. Charles einen Großteil des Geländes, aber die ursprüngliche Schule der Bourgeoys und Teile der Farm liegen da vorne. Die Anlage ist jetzt ein Museum.«
»Maison St. Gabriel.«
Ryan nickte.
Der Schnee wurde in
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