Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
setzten uns wieder links und rechts neben Fisher. Der »Bulle« bedeutete der »Leichenlady« anzufangen.
»Ich hoffe, es geht Ihnen heute schon besser, Ma’am.«
Fisher nickte fast unmerklich.
»Mrs. Fisher, ich mache mir Gedanken wegen einiger Anrufe Ihrer Schwester in meinem Institut.«
Die grell geschminkten Augen senkten sich.
»Wann?«
»Letzte Woche.«
»Weswegen?« Fishers Blick blieb stur auf den Boden geheftet.
»Mrs. Parent …«
»Louise war nie verheiratet.«
»Miss Parent sprach von einem Gebäude an der Ste. Catherine.«
Die Wurstfinger öffneten und schlossen sich.
»Sie sagte, sie zerbreche sich den Kopf wegen Dingen, die dort vorgefallen seien.«
Fisher wurde noch zappeliger.
»Ihre Schwester gab an, sie fühle sich verpflichtet, den Behörden gewisse Informationen mitzuteilen.«
»Sie hat Sie angerufen?« Fisher hob den Kopf, die Augen riesig in dem kunstlos hergerichteten Gesicht.
»Zweimal. Wissen Sie, warum?«
»Ich hätte mir nicht gedacht, dass sie es tatsächlich tun würde.«
»Was wollte Ihre Schwester mit mir besprechen?«
In diesem Augenblick kam Bastillo herein und setzte sich in den Sessel gegenüber der Couch. Aus dem Trällern des Sittichs wurde ein schrilles, abgehacktes Kreischen.
» ’tit ange! « , blaffte Bastillo.
Der Sittich ließ noch ein paar laute, schrille Töne hören.
»Lass das!«
Der Papagei sagte »hübscher Vogel« auf Englisch und Französisch und untersuchte dann den Inhalt seiner Futterschüssel.
»Er ahmt den Rauchmelder nach«, erklärte Bastillo. »Der kleine Mistkerl hat das aufgeschnappt, als er mal an einem Wochenende allein war und die Batterien versagten.«
»Er ist sehr talentiert«, sagte ich. »Und zweisprachig.«
»Er ist eine Nervensäge.« Bastillo hatte für den Vogel offensichtlich nicht viel übrig.
»Dreisprachig.«
Wir alle schauten Fisher an.
»Englisch, Französisch und Sittisch. Über diesen Witz haben Louise und ich immer gelacht.« Fishers Stimme kam abgehackt, von verhaltenem Schluchzen unterbrochen. »Sie war Übersetzerin, wissen Sie?«
»Nein, Ma’am. Das wusste ich nicht.«
Fisher nickte, und ihre Kinne verschmolzen.
»Hat Bücher aus dem Französischen ins Englische übersetzt. Und andersherum auch.«
»Das ist eine sehr schwierige Arbeit«, sagte ich und wandte mich dann an Bastillo.
»Wir haben Ihre Mutter eben nach Anrufen Ihrer Tante an mein Institut kurz vor ihrem Tod gefragt.«
»Gibt’s da eine Verbindung?«
»Das wissen wir nicht genau.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass der Tod meiner Tante keine natürlichen Ursachen hatte?«
»Wir wollen in jede denkbare Richtung ermitteln«, sagte Ryan.
»Verdächtigen Sie uns?« So schrill wie der Vogel.
»Natürlich nicht.« Ryans Stimme war die personifizierte Besänftigung. »Wir würden nur gerne wissen, was Ihrer Tante durch den Kopf ging.«
Ryan wandte sich an Fisher.
»Wissen Sie, was Miss Parent Dr. Brennan mitteilen wollte?«
Als Fisher nickte, huschte ein Gitter aus Sonnenlicht über ihre Wange.
’tit ange pfiff eine Zeile aus Camelot.
Rose Fisher holte einmal tief Atem.
»Louise wohnte fast siebzehn Jahre in der Ste. Catherine. Als mein Mann vierundneunzig starb, überredete ich sie, zu mir zu ziehen. Das Haus war eins dieser Riesenkästen, mit Geschäften im Erdgeschoss und Wohnungen in den Etagen darüber. Für mich zu laut, aber Louise mochte es so. Sie hatte eine Zweizimmerwohnung zur Straße hin, und sie schaute gern zum Fenster hinaus, wenn sie an ihrem Schreibtisch arbeitete. Die Viertelschnüfflerin, nannte sie sich selbst.«
»Was für Geschäfte waren in dem Gebäude?«, fragte ich sanft.
»Eine ganze Latte. Eine Dame mit einem Koffergeschäft. Ein Metzger. Und dann eröffnete dieser Kerl eine Pfandleihe.«
Fisher senkte den Blick.
»Louise mochte ihn nicht. Sie mochte ihn wirklich nicht.«
»Wie hieß er?«
»Fing mit einem M an. Maynard? Martin? Ich glaube, Louise hat mal gesagt, er sei Amerikaner. Ich weiß es nicht mehr. Das ist Jahre her.«
Stéphane Ménard. Der Kerl auf Cyrs Liste. Der Kerl, der die Geschäftsräume in Cyrs Gebäude von neunundachtzig bis achtundneunzig gemietet hatte.
»Warum mochte Ihre Schwester diesen Mann nicht?«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Normalerweise mochte Louise jeden. Aber bei diesem Kerl hatte sie ein komisches Gefühl.«
»Wissen Sie, warum?«
Fisher schaute zu Bastillo. Bastillo nickte.
»Eines Abends sah sie, wie er ein schlafendes Mädchen in seinen
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