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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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auftauchte. Als Lieutenant der State Police hatte man ihm den Zutritt gestattet. Ihm, Nick, war er verwehrt geblieben.
    «Sein Zustand ist kritisch», berichtete Tony. «Er zeigt keinerlei Reaktionen. Mit der Vernehmung müssen wir noch eine Weile warten.»
    «Wenn er wieder ansprechbar ist, frag ihn doch bitte, warum er mich als Zielscheibe für seine Schießübungen ausgewählt hat.»
    «Mich interessiert eher, wo er die Leichen seiner Opfer verscharrt hat.»
    Nick nickte zustimmend. «Natürlich. Das ist wohl die wichtigere Frage.»
    Die Türen öffneten sich automatisch, als ein Mann die Notaufnahme betrat. Er war Anfang fünfzig und trug den grauen, ölverschmierten Overall eines Kfz-Mechanikers. Blass im Gesicht und sichtlich nervös, hatte er es offenbar eilig.
    «Ich will zu meinem Vater», sagte er. «Mir wurde gesagt, er hatte einen Herzanfall.»
    Nick und Tony standen auf. Die Schwester am Schalter fragte: «Name des Patienten?»
    «Craig Brewster.»
    Als er den eigenen Namen nannte – «Kevin Brewster» –, tippte ihm Nick auf die Schulter.
    Aufgeschreckt drehte sich der Mann um. Er hatte eine kleine Nase und Ohren, die wie Henkel vom Kopf abstanden. Die Augen wirkten traurig, und das Lächeln war ein wenig schief. Nick hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, allerdings in Schwarzweiß und in einer Zeitung abgedruckt.
    Und obwohl der Mann sich mit dem Namen Kevin Brewster vorgestellt hatte, wusste Nick zweifelsfrei, dass er keinem anderen gegenüberstand als Charlie Olmstead.

31
    Tony stellte die Fragen. Der Mann, der sich Kevin Brewster nannte, antwortete. Nick musste sich aufs Zuhören beschränken.
    «Ihr Name?»
    «Kevin Brewster.»
    «Und wie hießen Sie früher?»
    «Ich will wissen, wie es meinem Vater geht.»
    Sie befanden sich zu dritt in einem Arztzimmer gleich neben dem Warteraum. Kevin saß auf dem Untersuchungstisch, hatte die Hände im Schoß gefaltet und ließ die Beine baumeln. Tony ging vor ihm auf und ab, während Nick, in einer Ecke sitzend, die Vernehmung protokollierte. Das Schreibzeug hatte er sich von der Schwester an der Rezeption geben lassen.
    «Er hatte einen schweren Herzinfarkt und liegt auf der Intensivstation», sagte Tony.
    «Wird er überleben?»
    «Das weiß man nicht.»
    «Kann ich ihn sehen?»
    «Jetzt nicht.»
    «Wann dann?»
    «Beantworten Sie bitte meine Fragen», sagte Tony. «Kevin Brewster – war das immer schon Ihr Name?»
    «Nein.» Ein kurzes Zögern. «Früher hieß ich Charlie.»
    «Charlie Olmstead?»
    «Richtig.»
    «Wann wurde aus Charlie Kevin?»
    «In der Nacht, als ich meinen leiblichen Vater kennengelernt habe.»
    Nick fiel beinah der Kuli aus der Hand. «Maggie und Ken Olmstead waren nicht Ihre Eltern?»
    Kevin schüttelte den Kopf. «Mein Vater ist Craig Brewster. Er sagt, die Olmsteads hätten mich entführt, als ich noch ein Säugling war.»
    «Und wer ist Ihre Mutter?» Tony gab Nick mit einem scharfen Blick zu verstehen, dass nur er hier die Fragen stellte.
    «Das weiß ich nicht.»
    «Hat Mr. Brewster nie von ihr gesprochen?»
    «Er sagte, sie sei tot. Das war alles.»
    «Wann hat er das gesagt? Gleich nachdem er Sie entführt hat?»
    «Er hat mich nicht entführt. Ich bin freiwillig mit ihm gegangen.»
    «Freiwillig?»
    «Ja.»
    Nick schrieb verärgert mit, als Kevin berichtete, am 20. Juli 1969 zu den Sunset Falls gegangen zu sein. Auf dem Weg zurück nach Hause habe ihn ein Mann auf der Straße angehalten.
    «Er nannte mir seinen Namen und sagte, er sei mein leiblicher Vater.»
    «Und Sie haben ihm geglaubt?»
    «Nicht sofort. Aber dann zeigte er mir ein Foto. Von sich, an einem Strand, zusammen mit einer Frau und den Olmsteads. Er sagte, die Frau auf dem Bild, meine leibliche Mutter, sei gleich nach meiner Geburt gestorben. Mr. und Mrs. Olmstead hätten mich geraubt. Da habe ich ihm geglaubt.»
    «Warum?»
    «Weil ich den beiden überhaupt nicht ähnlich sehe. Aber als ich die Frau auf dem Foto sah, wusste ich sofort, dass es sich um meine wirkliche Mutter handelt.»
    «Sie sind also mit ihm gegangen? Einfach so?»
    «Nein.»
    «Hat er Sie also doch mit Gewalt verschleppt?»
    «Das habe ich nicht gesagt», blaffte Kevin. «Er fragte mich, ob ich ihm glaube. Ich sagte, vielleicht. Dann fragte er, ob ich bereit wäre, eine Weile zusammen mit ihm zu verbringen, damit ich mir ein eigenes Bild machen könnte. Und wieder antwortete ich, vielleicht.»
    Tony schien dem Mann, der früher Charlie hieß, in seiner Erzählung freie Hand

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