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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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der Veranda und den Blick über die weite Rasenfläche gerichtet, die von der Sommersonne braun gefärbt worden war, legte Kat ihren Arm um ihn und führte seinen Kopf sanft auf ihre Schulter. Und Eric ließ seinen Tränen freien Lauf.

8
    «Verdammt, wieso haben das alle übersehen?», schimpfte Kat.
    Nick wusste keine Antwort darauf oder allenfalls die, dass die Kollegen von damals schlicht und einfach nicht sorgfältig genug ermittelt hatten, aus welchen Gründen auch immer. Es war niemandem aufgefallen, dass in Pennsylvania in sechs Fällen das Verschwinden eines Jungen zeitlich mit einer Mondlandemission zusammenfiel. Man war jedes Mal von einem tragischen Unfall ausgegangen, und Unfälle erregten keinen Verdacht.
    «Maggie Olmstead hat es nicht übersehen», korrigierte Nick.
    «Aber warum hat sie geschwiegen?»
    Auch darauf wusste Nick keine Antwort. Vielleicht hatte sie befürchtet, nicht ernst genommen zu werden. Und das zu Recht, dachte er, denn er war lange genug Polizist gewesen, um zu wissen, dass sich eine zaghafte Hausfrau der Polizei gegenüber aus Angst, Unmut zu provozieren, lieber mit Verdächtigungen zurückhielt. Insbesondere vor vierzig Jahren, als selbst die besten Cops nicht frei von chauvinistischen Allüren gewesen waren.
    Nur einer Sache war Nick sich sicher: Dieser Fall, in dem er für die Sarah-Donnelly-Stiftung zu ermitteln begonnen hatte, würde ihm nun aus der Hand genommen werden. Als er zusammen mit Kat die Tafel der Opfer aus dem Olmstead’schen Esszimmer zum Streifenwagen trug, sprach Kat genau das an.
    «Dir ist klar, dass sich jetzt die Polizei einschalten muss.»
    «Ja», entgegnete er. «Aber lass dir gesagt sein, dass ich mich dadurch nicht davon abhalten lasse, selbst zu ermitteln.»
    «Alles andere hätte mich enttäuscht.»
    Wenig später saßen sie in Kats Crown Vic vor der Schule und warteten auf James. Alle anderen Fahrzeuge, die am Straßenrand parkten, waren riesige Familienkutschen. Die meisten grau. Nick fragte sich, wie sich James wohl dabei fühlte, tagtäglich von einem Streifenwagen abgeholt zu werden. War er stolz darauf, oder war ihm das eher peinlich?
    «Ich habe über deine Theorie nachgedacht, wonach unser Mann wahrscheinlich zeitweise in Fairmount und Centralia gewohnt hat. Klingt durchaus plausibel.»
    «Ist aber unzutreffend», erwiderte Kat. «Darauf willst du doch hinaus, stimmt’s?»
    Genau das wollte er sagen, und er war froh, dass Kat von sich aus darauf gekommen war. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er ihr in einem Grundkurs beigebracht, wie Serienkiller tickten. Sie wusste inzwischen genug, um zu verstehen, warum ihre Theorie nicht aufgehen konnte.
    «Entscheidend ist immer die erste Tat», sagte Nick. «In unserem Fall die Entführung von Charlie Olmstead.»
    In neun von zehn Fällen war das erste Opfer nicht willkürlich ausgewählt. Die meisten Serientäter lebten zurückgezogen und unauffällig an einem ihnen vertrauten Ort und traten nur dann in Erscheinung, wenn ein bestimmter Reizimpuls ausgelöst wurde. Deshalb war das erste Opfer der Schlüssel. Häufig stand der Täter schon vorher in Kontakt mit ihm. In der Ermittlungsarbeit kam es also darauf an herauszufinden, wann und wo dieser Kontakt zustande gekommen war. Im Falle Charlie Olmstead hieß das –
    «Der Killer hat demnach einige Zeit in Perry Hollow zugebracht», sagte Kat und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad.
    «Ja, das nehme ich an. Vielleicht hat er hier nicht gewohnt, vielleicht war er nur auf der Durchreise, aber er wird mit Sicherheit Charlie schon vor der Nacht, in der er verschwand, gesehen haben. Er wusste, wo er wohnt. Und er wusste, dass er Fahrrad fährt.»
    «Hältst du es für möglich, dass er in unmittelbarer Nähe der Olmsteads gewohnt hat?», fragte Kat.
    «Keine Ahnung, aber es würde den Kreis der Verdächtigen erheblich eingrenzen.»
    «Ich werde mit den Nachbarn reden», sagte Kat. «Mit den Santangelos. Mit Glenn Stewart. Und vielleicht lässt sich noch herausfinden, was Mort und Ruth Clark gewusst haben könnten.»
    «Dann werde ich mich derweil auf den Weg machen, die Familien der anderen Opfer aufzusuchen.»
    Schweigend dachten beide an die schwere Aufgabe, die vor ihnen lag. Vier Jahrzehnte waren verstrichen. Selbst wenn es ihm, Nick, gelingen sollte, Angehörige der Opfer aufzutreiben, war noch längst nicht gesagt, dass sie verwertbare Hinweise liefern konnten. Die Polizeiakten gaben wohl auch nicht viel her, und die Tatorte

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