Totenpech
anschlieÃenden seichten Wellen schlugen sanft gegen das Hausboot
und über die Steine am angrenzenden Ufer.
Und plötzlich sah er wieder sich selbst, wie er in der Dunkelheit
dieser blonden Frau durch die labyrinthartige Nekropole gefolgt war. Aber genau
diese Frau konnte seine Rettung sein. Er würde sie der Polizei aushändigen,
gegen seine Freiheit.
Nur wie sollte er diese Frau in einem Gebiet finden, das sich über
zwölf Kilometer von Norden nach Süden erstreckte und in dem an die
zweihundertfünfzigtausend Menschen in Hütten, Gräbern oder Gruben zwischen
Mausoleen und Kalifengräbern lebten?
79. KAPITEL
Rajid Mahodi hatte Sam mehrere Gründe aufgezählt, warum es
sinnvoll war, mit einem Flugzeug ins Tal der Könige zu fliegen. Sam hatte sich
überreden lassen und saà nun vorn im Cockpit einer Cessna. Er starrte beklommen
auf die Blätter des kleinen Propellers, die durch die schnelle Umdrehung
durchsichtig, aber dennoch sichtbar blieben, und lieà sich dabei kalte Luft aus
einer seitlichen Düse direkt ins Gesicht blasen.
Nach etwas über einer Stunde landete die kleine Cessna wohlbehalten
auf einer staubigen Buckelpiste, und Sam schwor sich, lieber mit einem Kamel
nach Kairo zurückzureiten, als noch einmal diesen Miniflieger zu besteigen.
Nachdem sie die Memnonkolosse passiert hatten, sah Sam
nichts auÃer riesigen sandfarbenen Felsen, Spalten und jede Menge Geröll. Er
fragte sich im Stillen, wie sie hier Basil Nassour finden sollten. Doch Rajid
Mahodi schien anders darüber zu denken. Er hielt einen Lageplan der Gräber, die
mit dem Akronym KV (Kings-Valley) von KV 1
bis KV 65
gekennzeichnet waren, in der Hand und ging zielstrebig und schnellen Schrittes
voran, während Sam versuchte, die Sonne zu ignorieren, die fast ein Loch in
sein schwarzes Käppi brannte. Er nahm es ab und schreckte seinen Kopf mit
kühlem Wasser aus seiner Trinkflasche ab. Sam hatte sich auf einer Karte
angesehen, dass die meisten Graböffnungen auf das 18. und 19. Jahrhundert
datiert waren und die Entdecker beinahe immer dieselben Namen trugen. Victor Loret,
Howard Carter und Edward Russel Ayrton. Es gab ein paar jüngere Datierungen,
über die aber nicht viel Aufsehen gemacht worden war.
Nachdem sie an dem einen oder anderen Grabeingang vorbeigekommen
waren und eine Strecke von mindestens zwei Kilometern hinter sich gebracht
hatten, erreichten sie endlich die markierte Stelle von KV  43. Dahinter führte
ein kaum begehbarer Weg zu einem Gelände, das von zwei Einheimischen bewacht
wurde und auf dem kein Tourist mehr zu sehen war. Rajid fragte einen der weiÃ
gekleideten Aufseher etwas auf Arabisch, bekam eine Antwort und bestätigte Sam
auf Deutsch, dass Basil Nassour irgendwo hier zu finden war.
Basil Nassour war nicht schwer zu entdecken, obwohl viele Menschen
an diesem Ort herumwuselten. Er stand vor einer freigelegten Ãffnung im Fels,
hatte seinen Hut in der Hand und strich sich gedankenverloren über die
gebräunte Glatze, über die sich dünnes weiÃes Haar wie feine Spinnweben zog.
Als er die beiden Neuankömmlinge sah, setzte er seinen Hut wieder auf und kam
mit forschem Gang auf sie zu.
»Quâest-ce que vous voulez ici?«, rief er ihnen auf Französisch zu,
doch Sam stellte gleich eine Gegenfrage, ebenfalls auf Französisch: »Sind Sie
Basil Nassour?«
Der alte Mann sah Sam argwöhnisch mit seinen wasserblauen Augen an,
versuchte einzuschätzen, was der Fremde von ihm wollte, und antwortete
vorsichtig: »Oui. Ich bin Basil Nassour. Was wünschen Sie?«
Einen kurzen Augenblick überlegte Sam, ob er die Rolle des
freiberuflichen Journalisten spielen sollte, entschied sich dann aber dafür,
gleich die Karten auf den Tisch zu legen. Manche Leute waren bei der Erwähnung
von Europol oft erst einmal so eingeschüchtert, dass es ihnen schwerfiel, sich
auf Anhieb plausible Lügen auszudenken.
»Monsieur Nassour, ich arbeite für Europol und habe ein paar Fragen
an Sie. â Haben Sie einen Sohn?«
»Nein. Ich habe keinen Sohn. Warum fragen Sie?«
»Wir suchen einen Joe Nassour, auf dessen Namen eine Villa auf
Mallorca läuft und zwei Boote, die in Verbindung mit Menschenraub und weiteren
schweren Verbrechen stehen.«
Sam holte ein Foto aus der Tasche und hielt es dem Archäologen hin.
»Kennen Sie diesen Mann?«
»Excusez-moi, aber ich kenne ihn nicht.
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