Totenpech
aus
allen Poren. Vor seinem Computer stand der Polizist und sah sich in aller
Seelenruhe auf seinem Schreibtisch um.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Walter. Wobei das letzte Wort nur
noch krächzend über seine Lippen kam. Er räusperte sich, fasste sich an den
Hals und ging zu dem kleinen Kaffeewagen, um erst einmal sein vor Angst
gerötetes Gesicht dem Blick des Polizisten zu entziehen.
»Ja, ich hoffe, dass Sie mir helfen können«, antwortete Sam und
holte ein gefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche seines schwarzen
Ledermantels. »Sie hatten mir das letzte Mal etwas von diesem Collection Point
in Wiesbaden erzählt. Nach dem Zweiten Weltkrieg. Erinnern Sie sich?«
»Das war nicht ich, sondern der Direktor. Aber ja, ich erinnere
mich.«
Ronald Walter reichte Sam einen Becher Kaffee.
»Schwarz, war doch so, oder?« Mit gespielter Gelassenheit rührte er
die Milch in seinen Kaffee, während er versuchte, Sams Blick standzuhalten.
»Sie würden die perfekte Frau abgeben«, sagte Sam lachend und hob
den Becher. »Ich war erst ein Mal hier, und Sie erinnern sich noch daran, wie
ich meinen Kaffee trinke.«
»Gutes Gedächtnis, mehr nicht«, sagte Ronald Walter laut und dachte
im Stillen, dass er das Gesicht des Polizisten sein Lebtag nicht vergessen
würde.
»Sie erwähnten das letzte Mal diese Büste der Nofretete. Ich habe
mir im Internet das Original im Berliner Museum angesehen. Diese hier ist eine
exakte Kopie davon. Abgesehen von den Beschädigungen und den weniger
auffälligen Farben. Wenn Sie sich das mal ansehen würden?«
Ronald Walter schob seine vom heiÃen Kaffee beschlagene Brille, die
fast auf die Nasenspitze gerutscht war, wieder nach oben auf den Nasenrücken
und nahm das Blatt Papier in die Hand. Es zitterte leicht zwischen seinen
Fingern, sodass er es auf den Tisch legte. Dabei nutzte er die Gelegenheit und
schob die Fotos von der ausgewickelten Mumie unauffällig unter einen Wust von
Papieren.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Sam den Angestellten des Museums.
»Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung. Ist ja auch kein Wunder,
bei den ewigen Temperaturschwankungen.«
Ronald Walter betrachtete das Bild von der Büste der ägyptischen
Königin. Es war von der Kopf- und Gesichtsform her eindeutig eine exakte Kopie
des Originals. Er kannte sehr wohl die Geschichten, die sich um die Büste
rankten. Welcher Archäologe kannte die nicht.
»Woher haben Sie das Foto?«
»Die Büste wurde gestohlen. Sie war in privatem Besitz. Ich würde
gerne Ihre Meinung darüber hören.«
»Hitler hat damals eine Kopie des Originals für einen Transport
anfertigen lassen. Viele Kunstschätze landeten nach Beendigung des Krieges, wie
gesagt, in dieser zentralen Sammelstelle der Amerikaner. Unter anderem auch die
âºbunte Königinâ¹. Man fand die Büste der Nofretete in einer unscheinbaren
Holzkiste. 1945
erhielt ein amerikanischer Offizier die Anweisung aus Washington, von oberster
Regierungsstelle, dass zweihundert Kunstwerke, und zwar Kunstwerke höchsten
Ranges, in die Vereinigten Staaten verschifft werden sollten. Das geschah auch.
Man beförderte zweihundertzwei Kunstgegenstände von Le Havre nach New York.
Doch die Nofretete behielt der Offizier in Wiesbaden, gegen den Befehl. Er hat
darüber ein Buch geschrieben, Die Bewahrer des Erbes, und
erhielt das GroÃe Bundesverdienstkreuz für sein mutiges Handeln. Allerdings
fragen sich einige, wo die Kopie geblieben ist. Und wenn ich mir das hier
ansehe, die Beschädigungen, die verblassten Farben, sieht es so aus, als wäre
das hier eher das Original.«
Sam überlegte, was diese Information bedeuten könnte. »Meinen Sie,
die Besitzerin könnte diese Büste auf so einer illegalen Auktion bekommen
haben?«
»Ich halte das für unwahrscheinlich. Wenn die echt wäre, kostet sie
mehrere Millionen. Auch auf dem Schwarzmarkt.«
»Okay, erklären Sie mir noch einmal, wie dieser Schwarzmarkt
funktioniert. Werden solche Stücke auf eine Liste gesetzt?«
»Also, was ich gehört habe, funktioniert dieser Schwarzmarkt wie
eine geheime Organisation. Solche besonderen Stücke werden nur an gewisse
Lieferanten verkauft, die wiederum ihre Abnehmer haben. Wer das ist, ist schwer
zu sagen. Das System funktioniert wie bei Drogen, weltweit. Keine offiziellen
Zahlen, Angaben von Orten oder
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