Totenpech
dem langen Hut auf dem Kopf ⦠ich habe keine Ahnung
davon ⦠keine wertvolle Büste.
Die drei Aussagen reichten Sam. Serani war eine Lügnerin! Sie hatte
sehr wohl Ahnung von dieser Art von Kunst. Warum sonst ging sie auf
Versteigerungen und kaufte teure Büsten und Statuen für horrende Summen auf?
Dann fiel ihm wieder ihr Blick ein, als er Lothar Senner erwähnt hatte.
Irgendetwas stank da gewaltig zum Himmel.
Sam war froh, dass Alfred und er aneinander vorbei recherchierten,
denn so war Alfred zum Zeitpunkt des Anrufes nicht bekannt gewesen, dass Frau
Serani eine leidenschaftliche Sammlerin ägyptischer Kunstgegenstände war. Man
musste hier sehr behutsam weiter vorgehen, um die kleine Spur, die sie nun
hatten, nicht zu vermasseln. Er würde Alfred später einweihen und einen Plan
schmieden.
Er holte sich einen Kaffee und wollte gerade Frau Winterfeld
anrufen, als es leise an die Tür klopfte. Bevor er »Herein« sagen konnte, war
die Tür bereits offen.
»Hallo, Sam.«
Wie lange hatte Sam diese Frau nicht mehr gesehen? Ihr einst
hübsches, gepflegtes und blühendes ÃuÃeres war einem mageren, beinahe
durchscheinenden Wesen gewichen. Die dunklen Augenringe unter den tief liegenden
Augen und das Kopftuch, so vermutete Sam, waren eindeutige Zeichen für eine
Krebserkrankung, der eine Chemotherapie gefolgt war.
Die Frau zog einen Stuhl heran und setzte sich.
»Ich bin hier, weil ich dir etwas geben wollte, was dir gehört.«
Aus einer Tasche holte sie zwei abgegriffene blaue Stoffalben hervor
und legte sie auf den Tisch.
»Es ist das Einzige, was übrig geblieben ist von damals. Ich dachte,
dass es vielleicht später für deine Kinder von Interesse sein würde.«
»Ich möchte keine Kinder haben.«
Die Frau nickte und senkte den Blick. »Sam, ich weiÃ, dass viel
nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen. Aber das Leben spielt sich
nicht nur auf der Mitte der HauptstraÃe ab. Auch in den NebenstraÃen tobt es,
und manchmal ist die Verlockung groÃ, da mitzuspielen.«
Sam nickte, doch es war ein Nicken, das kein Verständnis für die
Erklärungen der Frau, seiner Mutter, zeigte. Er wusste, dass es nicht richtig
war, aber er gab ihr trotzdem die Schuld am Tod seiner Schwester, die durch
ihre Krankheit nur auf sich aufmerksam machen wollte und sich nach der Liebe
ihrer Mutter gesehnt hatte. Jetzt, wo sie auf die Scherben ihres männerreichen
Lebens zurückblickte und sehen konnte, dass nichts davon übrig geblieben war,
tauchte sie bei ihm auf, erinnerte sie sich plötzlich daran, dass es ihn auch
mal in ihrem Leben gegeben hatte. Damals stand er ihr im Weg, und sie war froh
gewesen, als Sam frühzeitig ausgezogen war.
»Ich weiÃ, dass du mir es heute noch übel nimmst, dass ich euren
Vater verlassen und euch mit nach Deutschland genommen habe. Aber Sam, man weiÃ
im Grunde genommen nie, wie lange die Liebe in einer Beziehung dem Alltag
standhält. Und nur weil man Kinder bekommt, heiÃt das noch lange nicht, dass
man sich für eine Ehe versklaven muss, oder? Wir suchen uns immer wieder neue
Partner, weil wir mit jedem das gemeinsame Glück erhoffen. Tröste dich, ich
habe es nicht gefunden. Sicherlich denkst du, dass das die gerechte Strafe
dafür ist, weil ich euch in gewisser Weise von mir gewiesen habe, mich nicht
gut genug um euch gekümmert habe. Und ja, ihr wart mir zeitweise im Weg, auf
der Suche nach dem Glück, wie ich dachte. Für manche sind Kinder das gröÃte
Glück, für mich war es das eben nicht.«
»Willst du dich von deinem schlechten Gewissen befreien, damit du in
Frieden sterben kannst, Mutter?«
»Nein. Ich stehe zu dem, was ich getan habe. Ich wollte dir eine
kleine Erinnerung an deine Kindheit schenken, bevor ich sterbe.« Sie zeigte auf
die beiden Bücher, die sie in die Mitte des Tisches schob, und stand dann auf.
»Ich hoffe, du machst alles besser, Sam. Bist du eigentlich
verheiratet?«
»Nein«, sagte Sam und sah seine Mutter kühl an.
Wieder nickte sie, als würde sie verstehen.
Sam sah ihr hinterher, wie sie das Büro verlieÃ, dann blieb sein
Blick an den zwei blauen Stoffalben hängen. Er nahm das oberste und schlug es
auf. Auf der ersten Seite war eine Karte eingeklebt, auf der stand: Kommt ein Kindlein auf die Welt, fällt ein Stern vom Himmelszelt,
fliegt ein Vogel hoch hinauf, singt so
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