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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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zerstören. Dann spürte sie einen
kleinen Stich im Arm, und das Letzte, was sie hörte, war das fröhliche Summen
ihrer Mutter.

46. KAPITEL
    Hamburg   Zwei
Angestellte waren wegen Krankheit ausgefallen. Deshalb stand Lina schon am
frühen Nachmittag in der Küche und half ihrer Mutter bei den Vorbereitungen.
Sie schälte Kartoffeln, eine Arbeit, bei der sie nichts falsch machen konnte,
außer sich in die Finger zu schneiden.
    Als die ersten Gäste eintrudelten, ging Lina hinter den Tresen und
schenkte Getränke aus. Ihre Gedanken waren bei Sam. Sie hatte die Harte
gespielt und ihn damit in eine Ecke gedrängt, aus der er auch nicht mehr
hervorkam. Sam verschwendete keine Zeit für Menschen, bei denen er der Meinung
war, dass sie ihn nicht achteten, liebten oder respektierten. Sie konnte es ihm
nicht einmal verübeln. Sie war genauso.
    Gegen acht ging plötzlich die Tür auf, und der Mann, der Lina bei
ihrem letzten Flamencotanz nicht aus den Augen gelassen hatte, betrat das
Restaurant. Er hängte seinen vom Regen durchnässten Mantel über einen Stuhl und
setzte sich auf »Sams Platz«. Als er Lina sah, lächelte er ihr zu, was ihre
Mutter mit großem Argwohn beobachtete, denn sie wünschte sich und glaubte immer
noch an ein Happy End mit Sam. Für sie war Sam, nachdem er ihre Tochter
gerettet hatte, ein Heiliger, den sie auch täglich in ihre Morgen- und Abendgebete
einschloss.
    Der Mann saß den ganzen Abend an dem Tisch. Immer wieder wanderte
sein Blick zu Lina, die am Tresen Gläser abwusch, Weinflaschen öffnete und Bier
ausschenkte. Es war kein unangenehmer Blick, und manchmal schenkte Lina ihm ein
Lächeln.
    Plötzlich stand er auf, stellte sich an den Tresen und sagte mit
angenehmer Stimme: »Ich möchte zahlen.«
    Â»Ich schicke Ihnen jemand an den Tisch«, antwortete Lina und wusch
weiter Gläser ab.
    Â»Ich möchte aber bei dir zahlen.«
    Lina musste lachen und trocknete sich die Hände an einem
Geschirrtuch ab. »Na schön, überredet.«
    Er holte ein Bündel Scheine aus der Hosentasche, zog einen
Hundert-Euro-Schein heraus und schob ihn Lina über den Tresen. »Der Rest ist
für dich, Schönheit.«
    Lina wollte protestieren, denn die Rechnung betrug lediglich fünfzig
Euro, doch der Mann war bereits aus der Tür.
    Â»Du benimmst dich wie eine Puta von der Straße, Lina«, hörte sie
hinter sich ihre Mutter sagen. »Das nehmen wir nicht an. Das nächste Mal
bekommt er Geld zurück.«
    Â»Was macht dich so sicher, dass er noch mal herkommt, Mama?«
    Â»Lina, él es un hombre malvado. Parece al diablo.«
    Â»Mama, übertreib nicht wieder. Du siehst in jedem gleich den
Teufel.«
    Â»Das ist nicht wahr.«
    Â»Doch, Mama.« Lina gab ihrer Mutter einen Kuss und trocknete weiter
Gläser ab.
    Gegen elf war endlich der letzte Gast gegangen. Lina zog sich ihren
Regenmantel an und trat in die feuchte Nacht hinaus. Die Luft roch frisch und
sauber, obwohl die Gegend hier alles andere als das war. Auf der
gegenüberliegenden Straßenseite liefen zwei junge Frauen auf und ab, deren
freizügige Outfits keine Zweifel an der Ausübung ihrer Tätigkeit ließen. Lina
wunderte sich darüber, denn eigentlich standen die Prostituierten weiter oben
an der Ecke Richtung Hauptbahnhof. Sie sah zwischen den Häuserwänden nach oben
in den dunkelgrauen, von schweren Wolken bedeckten Himmel. Es würde
wahrscheinlich die ganze Nacht durchregnen, dachte sie und beeilte sich, zum
Bahnhof zu kommen.
    Sie war keine zwanzig Schritte gegangen, als neben ihr ein Wagen im
Schritttempo entlangfuhr. Die Scheiben waren verdunkelt, sodass Lina nicht
erkennen konnte, ob ein Freier es wagte, sie zu belästigen. Sah sie vielleicht
aus wie eine Straßenhure? Sie hob die Hand und streckte dem Unsichtbaren den
Mittelfinger entgegen, als die Scheibe der schwarzen Mercedes-Limousine langsam
hinunterglitt und der Mann aus dem Restaurant ihr zugrinste.
    Â»Na, na, na, wer macht denn so etwas? Kann ich dich irgendwo
hinfahren?«
    Lina überlegte, ob sie die zehn Minuten zwischen Drogendealern,
Nutten und Obdachlosen zum Hauptbahnhof marschieren wollte oder ob sie sich
lieber in angenehmer Begleitung dorthin fahren ließ.
    Sie entschied sich für Letzteres und stieg ein.
    Â»Zum Bahnhof, bitte.«
    Â»Zum Bahnhof? Was willst du denn da?«
    Â»Ich will nach Hause.«
    Â»Ich

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