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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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geschossen. Hatte er sie gesehen? Warum hatte er sie dann
nicht gestellt? Oder hatte er nur die Vermutung, dass jemand im Haus gewesen
war? Nach endlosen Minuten war er schließlich im Inneren des Hauses verschwunden.
Mit zitternden Händen und rasendem Herz war Aethel über die steilen Klippen zurück
zu ihrem Roller geklettert.
    Â»Aethel! Aethel!«
    Ihre Mutter stand vor ihr und hielt ihr ein weißes Brautkleid hin.
Flankiert von zwei Näherinnen mit Nadelkissen an den Armen, die sie
erwartungsvoll ansahen.
    Â»Ich dachte, wenn du willst, ändern wir mein Brautkleid für dich
um.«
    Â»Damit ich so eine verlogene Ehe führe wie du? Du …« Weiter kam
Aethel nicht. Bevor sie eine weitere Boshaftigkeit loslassen konnte, traf sie
die flache Hand ihrer Mutter ins Gesicht.
    Nicht nur Aethel war erschrocken über den Schlag, auch ihre Mutter
zuckte ob ihrer eigenen Courage zusammen.
    Â»Ich möchte dich bitten, das Kleid anzuziehen. Es gibt sonst noch
eine Alternative.« Sie hatte sich wieder gefasst, gab einer der Näherinnen ein
Zeichen, die stumm ein langes weißes, mit Spitzen und Perlen besetztes Kleid
aus einer Schachtel herausholte und es vor Aethel ausbreitete. Dieses Kleid
passte genauso wenig zu Aethel wie das ihrer Mutter. Zu ihr passte überhaupt
kein weißes Kleid. Sie stieß ihre Mutter zur Seite und eilte an den stummen
Angestellten vorbei in ihr Turmzimmer, verschloss die Tür hinter sich und brach
in Tränen aus.
    Was für eine Wendung hatte ihr Leben genommen! Vor ein paar Wochen
hatte sie noch in ihrer heilen Welt gelebt. Alles war wie am Schnürchen
gelaufen, sie war glücklich gewesen. Und plötzlich stand alles auf dem Kopf.
Aethel wischte sich das tränennasse Gesicht trocken, öffnete in ihrem Schrank
den Deckel zu ihrem Geheimfach und holte die Truhe heraus. Den Inhalt kippte
sie auf das Bett. Als Letztes fiel der Schlüssel heraus.
    Da lag er zwischen all den dunklen Samtbeuteln und schien darauf zu
harren, dass sie nach Jahren endlich das passende Schloss für ihn fand.
    Aethel wartete, bis alle zu Bett gegangen waren, und schlich dann in
die Bibliothek. Nach etwa fünf Stunden hatte sie jedes Buch herausgeholt,
einmal umgedreht und geöffnet, sämtliche Wände nach Hohlräumen abgeklopft und
trotzdem nichts gefunden. Ihre Hände waren dunkelgrau von den
staubbeschichteten Büchern, was sie jedoch nicht daran hinderte, ihre Finger in
den Mund zu stecken und die noch übrig gebliebene Nagelhaut abzukauen. Sie fing
an zu grübeln. Wo waren die Bilder, die Gemälde von Charles, dem Hund, all die
anderen persönlichen Dinge ihres Großvaters geblieben? Hatten sie alles
entsorgt, als der unliebsame, aber reiche Herr endlich unter der Erde lag? Oder
hatten sie anstandshalber alles eingelagert und so getan, als würde ihnen etwas
an den Erinnerungen liegen? Verlogen waren sie ja schon immer gewesen.
    Ihr Großvater hatte seinerzeit im Turmzimmer gewohnt, dort, wo sie
jetzt wohnte. Aber sie hatten für Aethel alles renoviert, neu tapeziert und
angestrichen. Einen Keller gab es zwar, aber den kannte Aethel ziemlich genau,
wie jede Ecke in diesem alten Schloss. Was fehlte, war eine Art Dachboden.
Aethel schloss die Augen, sah, wie sie eines Nachts von einer ihrer
Erkundungstouren bei den Nachbarn über die Wiese zurück zum Schloss gerannt
war. Ihr Großvater hatte im Schein einer Kerze am Fenster des Turmes gestanden
und ihr zugesehen. Doch irgendwie war das Bild verschoben. Ja, das war es.
Irgendetwas war verschoben.
    Aethel rannte zurück in ihr Zimmer, baute die Kleiderstange in ihrem
Schrank aus, stellte sich aufs Bett und klopfte damit die Decke ab. Wie
erwartet, klang es hohl. Dann rückte sie ihren Schreibtisch in die Mitte des
Raumes, stellte einen Stuhl darauf und begann, systematisch die Tapete von der
Decke abzureißen. Sie hatte über die Hälfte geschafft, als endlich eine Luke
sichtbar wurde. Mit einem Messer kratzte sie die Fugen von altem Kleister frei
und hebelte an dem eingelassenen Schloss herum, bis es schließlich nachgab. Die
Klappe flog ihr entgegen. Aethel konnte sie gerade noch rechtzeitig abfangen,
sonst hätte die schwere Holzklappe sie vom Stuhl gefegt. Mühevoll hielt sie das
Ding fest, stieg langsam vom Stuhl hinunter und ließ schließlich los. Als die
Holzplatte sich in ihren Scharnieren ausgeschaukelt hatte, stieg Aethel wieder
auf den Stuhl und

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