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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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gestrichen und scheint daran gewöhnt, Wind, Regen und Meer zu trotzen. Ruth steht unentschlossen vor der Tür und lauscht auf die Wellen, die sich an der Kaimauer brechen. Was, wenn er nun nicht da ist? Wird sie dann unter ihrem Schreibtisch in der Uni schlafen müssen, um sich morgen um neun von Mr.   Tan oder einem anderen Studenten wecken zu lassen? In der aktuellen Lage erscheint ihr diese Aussicht gar nicht mal so schlecht.
    Sie schaut zu dem Polizeiwagen zurück, der diskret am Anfang der Straße wartet. Ob die Nachbarn wohl schon hinter den Vorhängen hervorspähen?
    «Ruth!» Sie dreht sich um und sieht Peter als Umrissvor einem Rechteck aus Licht. Ruth setzt dazu an, ihm von Erik und Shona zu erzählen und ihn zu fragen, ob sie bei ihm übernachten kann, bricht dann aber zu ihrem eigenen blanken Entsetzen in Tränen aus. In lautes, atemloses, unromantisches Schluchzen.
    Peter legt den Arm um sie und zieht sie ins Haus. «Schon gut», sagt er. «Es ist ja alles gut.»
    Dann schließt er die Tür hinter sich.

25
    «Tut mir leid», stößt Ruth hervor, als sie wenig später auf Peters Sofa sitzt. Wie in allen möblierten Mietshäusern scheinen die Möbel auch hier nicht recht zum Raum zu passen. Das Sofa ist merkwürdig unbequem.
    «Was ist denn bloß los?» Peter steht immer noch ratlos im Türrahmen.
    «Vielleicht setzt du dich besser», sagt Ruth.
    Dann erzählt sie ihm von den Briefen, von Shona und Erik – und dass Eriks Handschrift mit der des Briefeschreibers identisch ist.
    «Großer Gott!» Peter stößt einen langen Seufzer aus. «Und du bist dir ganz sicher?»
    «Ja», sagt Ruth, «außerdem hat Shona es schon zugegeben. Sie haben die Briefe zusammen geschrieben, weil sie die Ermittlungen behindern wollten.»
    «Wozu sollte das denn gut sein?»
    «Ein Student von Erik stand wegen Mordes an einem Polizisten vor Gericht. Er wurde schuldig gesprochen, und später hat er sich im Gefängnis das Leben genommen. Erik gibt Nelson die Schuld daran, dem Beamten, der im Mord an Scarlet Henderson ermittelt.»
    «Warum?»
    «Nelson hat damals gegen diesen Studenten ausgesagt. Er hieß James Agar.»
    «Und jetzt ist die Polizei also hinter Erik her?»
    «Ja, aber er ist offenbar verschwunden.»
    «Und was ist mit Shona?»
    «Sie sagt, sie wisse nicht, wo er ist.»
    Peter schweigt einen Moment lang, dann sieht er Ruth mit verstörter Miene an. «Glauben die   … Glaubt die Polizei, dass Erik das kleine Mädchen umgebracht hat?»
    «Sie halten es zumindest nicht für ausgeschlossen.»
    «Und was glaubst du?»
    Ruth zögert. Wenn sie ganz ehrlich mit sich ist, weiß sie schon längst nicht mehr, was sie eigentlich glauben soll. Sie hat Erik für allmächtig gehalten und Shona für ihre beste Freundin, doch das scheint jetzt alles nicht mehr zu stimmen.
    «Ich weiß es nicht», sagt sie schließlich. «Aber möglich wäre es schon. Der Verfasser der Briefe hat schließlich Hinweise gegeben, wo Scarlets Leiche vergraben ist.»
    «Kann das nicht auch Zufall sein?»
    Ruth denkt an den spöttischen, rätselhaften Ton der Briefe zurück. «Vielleicht. Diese Briefe sind so voller Anspielungen, da kann man leicht etwas reininterpretieren.»
    «Weshalb sollte Erik die Kleine umbringen wollen?»
    Ruth seufzt auf. «Was weiß denn ich? Vielleicht wollte er den Göttern ein Opfer bringen.»
    «Das meinst du jetzt nicht im Ernst, oder?»
    «Nein. Aber Erik vielleicht.»
    Peter schweigt erneut.
     
    Peter macht Omelettes und öffnet eine Flasche Rotwein, und Ruth isst gierig. Seit dem Mittagessen mit Shona scheint eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein. Sie trinkenbeide recht viel, wie um die Enthüllungen dieses Abends zu verdrängen.
    «Weißt du», wiederholt Peter immer wieder, «ich kann einfach nicht glauben, dass Erik so etwas tun würde. Er war doch immer ein echter New-Age-Jünger, er wollte Frieden und Liebe und straffreies Kiffen für alle. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er ein kleines Mädchen umbringt.»
    «Aber wenn er nun tatsächlich an diesen ganzen Kram glaubt, an Gaben und Opfer für die Götter? Vielleicht fand er ja, er muss die Götter mit einem Opfer besänftigen, weil er ihnen den Henge genommen hat.»
    «Damit sagst du im Grunde, dass er verrückt ist.»
    Ruth lässt nachdenklich ihren Rotwein im Glas kreisen. «Wie wollen wir denn beurteilen, was verrückt ist und was normal?»
    «Das sagt Erik auch immer!»
    «Stimmt.» Ruth zieht die Beine auf das Sofa. Trotz aller Aufregungen wird sie

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