Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
kaum dass er gemerkt hatte, dass er so nicht weiterkam, noch am selben Abend einen gemeinsamen Urlaub vorschlug. Eine Auszeit für sie beide. Wie sie in der Vergangenheit schon mehrfach eine genommen hatten, um ihre Ehe wieder zu kitten. Doch was sollte eine weitere Auszeit, wo es vor allem darum ging, dass sie beide den gemeinsamen Alltag nicht auf die Reihe bekamen, dass Tom sie mit fast allen Dingen alleinließ und sich für nichts verantwortlich fühlte. »Übrigens hatte ich, kurz bevor Sie kamen, ein sehr interessantes Telefonat mit einer gemeinsamen
Freundin von uns«, riss Weber seine Kollegin aus ihren Gedanken.
»Wie, wer soll das sein?«
»Na, unsere liebe Kollegin Lydia Markisch hat sich gemeldet. Sie wollte mal hören, wie wir ohne ihre Mitarbeit in unserer Abteilung zurechtkommen.«
»Und, was haben Sie ihr geantwortet?«
»Natürlich war ich charmant wie immer. Weshalb ich Lydia auch in Ihrem Namen zu verstehen gegeben habe, dass sie uns an allen Ecken und Enden fehlt.«
»Gut, dass ich das nicht mit anhören musste«, schnaufte Anna. »Die ›Giraffe‹ soll bloß bleiben, wo sie ist.«
»Wird sie auch, Anna, in der Hinsicht kann ich Sie beruhigen, denn Lydia hat durchblicken lassen, dass ihre Beförderung zur Hauptkommissarin des LKA Hannover noch dieses Jahr stattfinden wird.«
»Das hört sich richtig gut an«, lächelte Anna, plötzlich bestens gelaunt. »Darauf werden wir nachher anstoßen. Ich gebe einen aus, Weber, versprochen«, sagte sie, um sich wieder ihrem Schreibtisch zuzuwenden, auf dem sie bereits fein säuberlich den Brieftascheninhalt der Toten ausgebreitet hatte. Leider konnte sie außer den üblichen Papieren wie Personalausweis, Fahrzeugschein, Quittungen und ein paar Kinderfotos nichts finden, was für die weiteren Ermittlungen hilfreich gewesen wäre. Noch einmal nahm die Kommissarin den Personalausweis in die Hand und sah, während sie das Geburtsdatum las, Monika Jacobsen erneut tot vor sich im Elbsand liegen. Sie war gerade einmal einunddreißig Jahre alt geworden.
»Ich habe schon einmal mit der Recherche zu Monika
Jacobsen und ihrer Familie angefangen«, verschaffte sich Weber erneut Annas Aufmerksamkeit.
»Monika Jacobsen hat zwei Kinder, beide sind noch nicht im schulpflichtigen Alter, und sie war mit Malte Jacobsen, einem ziemlich bekannten Makler in Hamburg, verheiratet. Im Internet finden sich so einige Informationen über ihren Mann. Anscheinend vermittelt Herr Jacobsen seine Häuser und Grundstücke größtenteils an die Hamburger Hautevolee. Hier, schauen Sie sich das einmal an.«
Weber hielt Anna ein paar ausgedruckte DIN-A4-Seiten vor die Nase und setzte sich anschließend wieder vor seinen Computer.
Aufmerksam ging Anna die Referenzliste des Maklers durch und betrachtete anschließend das von ihm beiliegende Foto. Anna sah einen Mann Mitte dreißig, der beruflich nicht nur sehr erfolgreich zu sein schien, sondern dazu auch noch unverschämt gut aussah. Optisch gesehen, war er in jedem Fall ein passender Begleiter für eine Frau, die große Ähnlichkeit mit Audrey Hepburn in ihren besten Zeiten aufwies. Außerdem hatte ihn Günther Sibelius auf der gestrigen Dienstbesprechung als einen ausgesprochen sympathischen Mann beschrieben, den der Tod seiner Frau komplett aus der Bahn geworfen hatte.
»Ist die Handtasche von Frau Jacobsen inzwischen gefunden worden?«, fragte Anna.
»Nein, und mittlerweile haben die Kollegen der Spurensicherung die Suche am Fundort auch eingestellt.«
»Und wie sieht es mit Laborergebnissen über die Kleidung der Toten aus?« Weber schüttelte den Kopf. »Liegen noch nicht vor, ebenso wenig wie das Gutachten aus
der Rechtsmedizin. War allerdings auch nicht anders zu erwarten, nachdem Dr. Severin ja schon gestern angedeutet hat, dass er sich nicht sofort an die Obduktion von Monika Jacobsen machen kann.« Weber warf einen Blick auf seine Uhr. »Kommen Sie, Anna, es wird Zeit für die Dienstbesprechung. Vielleicht erfahren wir auf ihr ja schon so etwas wie ein erstes vorläufiges Ergebnis aus der KTU.«
Die Mitarbeiter um Kriminalhauptkommissar Günther Sibelius, Abteilung 03 beim LKA im Hamburger Stadtteil Alsterdorf, trafen sich gegen zehn Uhr in ihrem Konferenzraum, um das weitere Vorgehen der Ermittlungen zu besprechen und festzulegen.
Anna Greve, Weber sowie die Kollegen Ferdinand Huber und Lars Haberland, die ihnen aufgrund des Fundorts der Leiche vom eigentlich zuständigen Kommissariat 26 im Blomkamp in Hamburg
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