Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Frage vorab, Herr Hofrath. Wo haben Sie sich am Abend des Mordes aufgehalten?«
»Ich war zu Hause, in meinem Arbeitszimmer, wo ich die Zeit bis zu Sabines Rückkehr genutzt habe, um noch ein paar liegengebliebene Akten zu wälzen.«
»Gibt es Zeugen dafür?«
»Wie denn, Herr Kommissar, schließlich ist meine Frau bis kurz nach Mitternacht unterwegs gewesen.«
»Und Sie haben zwischendurch auch nicht eventuell einen Pizzadienst angerufen oder mit einem Freund telefoniert?«
»Nein, tut mir leid, damit kann ich nicht dienen.«
Bereits wieder im Auto sitzend, sagte Weber zu Anna: »In der Ehe der Jacobsens scheint es also doch das eine oder andere Problem gegeben zu haben.«
»Daher ist es umso wichtiger«, gab Anna zurück, »dass wir einen zweiten, genaueren Blick auf ihre heile Welt werfen, Weber. Auch hatte ich den Eindruck, als ob Heiner Hofrath unbedingt verhindern wollte, dass wir allein mit seiner Frau sprechen. Fragt sich nur, warum.«
»Kam mir auch so vor, aber das klären wir später, Anna. Jetzt wartet erst einmal Dr. Severin auf uns. Und gleich nachdem wir in der Rechtsmedizin fertig sind, klappern wir mit dem Foto von Monika Jacobsen alle in Frage kommenden Lokale an der Elbe ab. Vielleicht erinnert sich noch jemand an sie und ihren Begleiter.«
Am nächsten Morgen quälte sich Amanda müde aus dem Bett und schaltete, sofort nachdem Max und Klara das Haus verlassen hatten, ihren Computer ein.
Cornelius hatte bereits eine neue Mail an Amanda geschrieben:
Du suchst also einen an Dir hängenden Mann. Wenn das mal gut geht. Ich glaube, in diesem Fall bin ich wahrscheinlich doch nicht Deine
Kragenweite. Ist Dir ein Spatz denn immer noch nicht genug?
Erst Info, dann Foto.
Beharrlich,
Cornelius.
Amanda antwortete sofort:
Wenn ich Deiner unverschämten Neugier jetzt nachgebe, will ich postwendend Dein Gesicht sehen! Versprochen? Also, ich bin Musikerin, lieber Cornelius, ich spiele Cello. Außerdem beschäftige ich mich mit Keramik. Und Du?
Herzlich,
Helena.
Vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, dachte sie, aber für diesen Zweck gar nicht einmal so schlecht. Und gäbe es Klara nicht, wer weiß, in welchem Orchester sie heute engagiert wäre. Die Sache mit der Keramik war ebenfalls nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, immerhin hatte Amanda vor einer Weile einen Töpferkurs besucht, der ihr viel Spaß gemacht hatte. Auch konnten sich ihre während dieser Zeit angefertigten Arbeiten durchaus sehen lassen, und ihre Kursleiterin, Paula Antonis, hatte Amanda sogar eine ausgesprochene Begabung bescheinigt. Außerdem und zu guter Letzt musste sie sich schon ein wenig aufplustern, wenn sie einen interessanten Mann an Land ziehen wollte.
Liebe Helena,
hab ich’s doch gewusst. Wir sind verwandte Seelen. Denk’ gerade an dieses eine Lied von Udo Lindenberg… »Du spieltest Cello, in jedem Saal in unsrer Gegend. Ich saß immer in der ersten Reihe, und ich fand dich…« Scheint mir langsam wirklich so zu sein, als würde der Spatz überhaupt nicht zu Dir passen. Wie wäre es dagegen mal mit einem Adler?
Sehr herzlich,
Cornelius.
»Wie wäre es dagegen mal mit einem Adler?«
Amanda las den letzten Satz von Cornelius’ Nachricht mit klopfendem Herzen. Weshalb hatte er sich gerade für dieses Tier entschieden? Warum hatte Cornelius nicht einen Bären oder einen Löwen gewählt, um sich selbst zu beschreiben? War das alles wirklich nur ein Zufall, oder bahnte sich hier tatsächlich die Beziehung an, von der Amanda bisher immer nur geträumt hatte?
Aufgeregt tippte sie:
Klingt fantastisch, aber langsam könntest Du zur Sache kommen. Zeig Dich!
LG,
Helena.
Liebe Helena,
ich habe gerade viel mit mir und meiner Arbeit zu tun, deshalb auch nicht die Zeit, Fotos von meinen
schön gewachsenen Füßen zu machen. Nächste Woche bin ich in meinem Atelier in Siena, um eine Skulptur fertigzustellen, auf die ein Kunde in Florenz schon viel zu lange warten musste. Und darum wirst leider auch Du erst einmal warten müssen. Sobald ich zurück bin, hören wir wieder voneinander.
LG,
Cornelius.
Ein Künstler war Cornelius also und höchstwahrscheinlich ein erfolgreicher. Wie sollte er sich auch sonst ein eigenes Atelier in Italien leisten können. Amanda kramte den Atlas aus Klaras Bücherregal hervor und schaute sich die Landkarte von Italien an. Da, Siena lag ungefähr fünfzig Kilometer südlich von Florenz inmitten der Toskana. Amanda hatte den Namen der Stadt schon
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