Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Scheißkälte hätten Sie mir wirklich den Autoschlüssel dalassen können, Weber!«, beschwerte sie sich, als ihr Kollege wenig später mit zwei Brottüten im Arm wieder zurückkam. »Übrigens haben mir Malte Jacobsen und Sabine Hofrath gerade bestätigt, dass die Ermordete sehr viel Wert auf gepflegte Fingernägel gelegt hat. Also hat der Doktor wahrscheinlich Recht mit seiner Vermutung, dass der Täter sie nach dem Mord geschnitten haben muss. Wir müssen dazu unbedingt auch noch in der KTU nachfragen. Haben die inzwischen etwas von sich hören lassen?«
Weber schüttelte den Kopf, worauf Anna Greve sofort bei ihren Kollegen von der Spurensicherung anrief, dort allerdings nur noch einen Anrufbeantworter mit automatischer Durchsage erreichte, der ihr mitteilte, dass die Dienststelle um diese Zeit nicht mehr besetzt war.
»Mist. Wie lautet gleich noch die Handynummer von Werner Freiwald, Weber?«
Hartnäckig wählte Anna kurz darauf die Mobilfunknummer des Leiters der KTU, bis sich nach wiederholtem Klingeln eine verschlafene Männerstimme meldete.
»Tut mir leid, wenn ich Sie gestört haben sollte, Kollege Freiwald«, begann Anna. »Aber es geht um den Mordfall Jacobsen. Bis wann können wir mit den ersten Untersuchungsergebnissen der am Fundort sichergestellten Kleidungsstücke rechnen?«
»Ich werde Ihnen gleich morgen früh rüberschicken, was wir in der Zwischenzeit an Material auswerten konnten, Frau Greve. Aber ich sage Ihnen gleich, dass die Ergebnisse bislang eher mager ausgefallen sind.«
»Wir haben gerade herausgefunden, dass der Täter Frau Jacobsen die Fingernägel geschnitten hat, um eventuell auf ihn verweisende Spuren zu beseitigen. Haben Sie vielleicht einen davon am Fundort der Leiche sicherstellen können?«
»Nein, tut mir leid, Frau Greve, keinen Nagel und auch keine Zigarettenstummel oder Ähnliches.«
»Und wie sieht es mit Fußspuren aus?«
»Auch hier Fehlanzeige, aber der Sand sah an einigen Stellen rund um den Fundort fast wie gefegt aus. So als hätte ihn jemand mit ein paar Zweigen oder etwas in der Art bearbeitet«, erwiderte Freiwald, während Anna im Hintergrund eine hysterisch klingende Frauenstimme laut seinen Vornamen rufen hörte.
»Gut, dann bis morgen«, sagte Anna schnell. »Und falls ich noch Fragen zum Bericht haben sollte, melde ich mich wieder.«
»Was meinen Sie, Anna, sollten wir das Abklappern der Lokale an der Elbe nicht besser auf morgen verschieben?«, sagte Weber mit besorgtem Blick auf seine Armbanduhr. »Ich fürchte, Rita wird echt wütend sein, wenn ich wieder erst gegen Mitternacht heimkomme.«
»Sie haben Recht, Weber, setzen Sie mich nur noch kurz vor dem Präsidium ab, dann machen wir Schluss für heute.«
Der Mann in Amandas Träumen hatte sein Gesicht verloren. Henry war fort und mit ihm zusammen auch das Gefühl, begehrt, verführt und geliebt zu werden. Amanda machte es sich auf ihrem Bett bequem, streichelte mit den Händen sanft über ihre Schenkel und stellte sich dabei die Hände eines Mannes vor. Jetzt wurden ihre Berührungen drängender, und ihre Finger nahmen wie von selbst den Rhythmus auf, den sie am liebsten hatte. Doch es gelang ihr einfach nicht, sich zu konzentrieren. Immer wieder tauchten Max’ Hände vor ihrem geistigen Auge auf.
Wie sie dabei waren, Zeitungsanzeigen in leuchtenden Farben zu markieren. Wie sie Amanda ins Lenkrad des Wagens griffen, weil sie sich seiner Meinung nach wieder einmal nicht richtig eingeordnet hatte. Ruckartig setzte sich Amanda in ihrem Bett auf und starrte auf den neben ihr liegenden Berg sauberer Wäsche, den sie noch immer nicht zusammengelegt und sortiert hatte. Früher, wenn Max gelegentlich in ihr gewesen war, hatte Amanda nur selten etwas gespürt, was wohl an Max gelegen haben musste, obwohl es sich dabei ganz sicher nicht um ein physisches Problem gehandelt hatte. Sein Schwanz war ein ganz gewöhnlicher Männerschwanz gewesen, nur war der Rest seines Körpers, wenn er mit seinem Stängel grob in sie eindrang, nie bei der Sache gewesen. Seine Hände waren wie tot gewesen. Waren Hände, die nicht wussten, wohin. Waren Hände, die vieles
konnten, aber eine Frau nicht so zu streicheln verstanden, dass es ihr Freude bereitete. Auch Max’ Gesicht war wie tot gewesen, hatte sich von ihr weggedreht, und wenn seine Lippen tatsächlich einmal die ihren gesucht hatten, war auch das nie recht vergnüglich gewesen. Und dann seine Zunge, die sich in ihrem Mund breitmachte und dabei tief in
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