Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
war Cornelius sicherlich ein eher unkonventioneller Mann. Einfallsreich und überraschend in seinem Handeln, mit einem lässigen Äußeren. Auf jeden Fall war er humorvoll, dabei sinnlich und sensibel, und das nicht nur sich selbst gegenüber. Doch wie konnte er nur aussehen?
Amanda sah einen Mann mit dichtem dunklem Haar vor sich, mit ausgeprägten Grübchen links und rechts
des Mundes und hohen Wangenknochen. Er hatte schöne Hände mit langen, feingliedrigen Fingern und einen sehnigen, hochgewachsenen Körper. Vielleicht verbarg sich hinter Cornelius ja aber tatsächlich ein verhutzeltes Männchen mit vertrockneter weißer Haut. Mit Halbglatze, riesenhaften Ohren und dumpf glotzenden Augen. Oder ein dicklicher Zwerg, der seine nicht vorhandene Körpergröße durch orthopädisch angepasste Plateausohlenschuhe auszugleichen suchte? Schließlich war es doch äußerst ungewöhnlich, dass er sich weigerte, ihr ein Foto von sich zu schicken. Vor allem, wenn er einigermaßen gut aussehend war. Aber wenn sie noch länger hier herumputzte und schmollte, würde ihr das auch nicht weiterhelfen. Cornelius war ein Adler, und sie würde ihn nicht von der Angel lassen, nur weil er bestimmte, wo es langging.
Entschlossen stieg Amanda von der Leiter und goss sich ein großzügiges Glas Weißwein ein. Dann mailte sie Cornelius ihre Telefonnummer zu.
Am nächsten Morgen wollte Anna als Erstes Malte Jacobsen mit Sabine Hofraths Aussage konfrontieren. Sie war gespannt, wie er auf die Nachricht reagieren würde, dass seine Frau eine heimliche Verabredung mit einem anderen Mann gehabt hatte. Als sie jedoch in seinem Büro anrief und von seiner Sekretärin erfuhr, dass er zu seinen Eltern nach Bremen gefahren war, begann sie, den von Werner Freiwald angekündigten und auch pünktlich eingetroffenen Bericht der KTU zu studieren. Währenddessen nutzte Weber die Zeit im Büro, um weitere Informationen über Sabine und Heiner Hofrath einzuholen.
»Die Familie Hofrath ist hoch verschuldet. Die beiden scheinen einen ziemlich aufwändigen Lebensstil zu pflegen«, informierte er Anna und ihren gemeinsamen Chef Günther Sibelius auf der anschließenden Dienstbesprechung. »Dabei müsste das Pärchen finanziell eigentlich gut dastehen, nachdem sie über zwei Einkommen verfügen und keine Kinder haben. Außerdem sind die Hofraths nicht nur privat mit der Familie Jacobsen verbandelt, sondern Heiner Hofrath ist darüber hinaus auch noch der Firmenanwalt von Malte Jacobsen.«
»Unter Umständen könnte das sogar die Erklärung dafür sein, warum er das Sechsaugengespräch zwischen seiner Frau und uns unbedingt verhindern wollte«, überlegte Anna.
»Vielleicht hat er befürchtet, Sabine Hofrath könnte unbedacht irgendetwas ausplaudern, das nicht für unsere Ohren bestimmt ist«, führte Weber Annas Gedankengang weiter. »Andererseits könnte Heiner Hofrath möglicherweise selbst der unbekannte Lover von Monika Jacobsen sein und aus diesem Grund verhindern wollen, dass wir allein mit seiner Frau sprechen.«
»Das ist denkbar, Weber, also graben Sie noch ein bisschen tiefer in den Lebensumständen der Familie Hofrath«, entschied Günther Sibelius. »Und wie sieht es bei Ihnen aus, Frau Greve?«
»Aus dem Bericht der KTU geht hervor, dass sich an Monika Jacobsens Mantel wie auch an ihrer Hose Rückstände einer alkoholhaltigen Flüssigkeit befunden haben. Um welche es sich genau handelt, wird noch untersucht. Der Kollege Freiwald hat ausgeführt, dass der Mantel hinten im Sitzbereich regelrecht damit getränkt war. Das
bestätigt auch die bereits geäußerte Vermutung, dass Frau Jacobsen nicht direkt im Sand, sondern auf einer wasserundurchlässigen Unterlage gesessen haben muss, da die Flecken ansonsten schneller getrocknet wären. Und es deckt sich nicht zuletzt mit der Aussage von Dr. Severin über die Ausprägung der schmetterlingsförmigen Totenflecken im Gesäßbereich der Toten. Das heißt, dass wir jetzt mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen können, dass der Fundort der Leiche auch der Ort ist, an dem Frau Jacobsen getötet wurde.«
»Dabei liegt der Todeszeitpunkt von Monika Jacobsen nicht einmal mitten in der Nacht«, warf Weber ein. »Kaum vorstellbar, dass es keinerlei Zeugen geben soll. Schließlich war es nicht besonders kalt an diesem Abend, und geregnet hat es auch nicht. Der Schneeregen hat erst in den frühen Morgenstunden eingesetzt.«
»Leider hat der Täter sonst keinerlei Spuren am Fundort
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