Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
der Toten. Aus Erfahrung wusste sie, dass es sich aufgrund der großflächig verteilten Spritzer um arterielles Blut handeln musste, denn nur eine verletzte Arterie ließ das Blut mit einem solchem Druck aus dem menschlichen Körper herausschießen, dass es Spuren wie diese hinterließ.
Während sie sich dem Sofa näherte, registrierte sie kurz die umgestürzte Lampe und das zerbrochene Geschirr auf dem Tisch, dann wendete sie sich der ermordeten Hannelore Bloch zu.
Das rote Kleid war der Frau weit über die Taille geschoben worden, darunter war sie nackt, und zwischen ihren Beinen klebte verkrustetes Blut. Auf ihrem schmerzverzerrten Gesicht fanden sich Spuren von Erbrochenem. Ihr Mund war weit geöffnet und wirkte mit seinem weit über den Rand hinaus verschmierten dunkelroten Lippenstift bizarr. Und auch wenn Hannelore Bloch um einiges
älter und ein wenig korpulenter als Marianne Jacobsen war, war für Anna Greve doch sofort augenfällig, dass alle beide dem gleichen femininen Frauentyp angehörten. Hannelore Bloch trug lange Haare. Sie waren zwar nicht schwarz, sondern dunkelbraun und ein wenig gelockt, erinnerten aber stark an Monika Jacobsens Haarpracht. Darüber hinaus hatte die Tote ebenfalls sehr fein geschnittene Gesichtzüge und ausdrucksvolle braune Augen.
Hannelore Bloch lag rücklings auf dem Sofa, ihr linkes Bein war mit einem Seil an der oberen Holzverzierung der Rückenlehne festgebunden, das rechte Bein war dagegen mit Hilfe eines groben Seils weit vom Körper abgespreizt und in die Höhe gezogen worden. Um das Seil zu fixieren, hatte der Täter es an einem an der Zimmerdecke der Gartenlaube befindlichen Haken befestigt. Exakt dieses Bein musste Marianne Eckart entdeckt haben, als sie auf der Suche nach ihrer Bekannten zum Fenster der Gartenlaube hineingespäht hatte.
Die Körperstellung der Toten war die einer Patientin auf dem Behandlungsstuhl eines Gynäkologen. Das viele Blut zwischen den Beinen der ermordeten Frau ließ Anna wiederum sofort an die postmortalen Misshandlungen und das zertrümmerte Schambein von Monika Jacobsen denken, weshalb sie auch vermutete, dass die Obduktion der vor ihr liegenden ermordeten Frau ein ähnliches Ergebnis zutage fördern würde. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied zum Fall Jacobsen, überlegte Anna. Hannelore Bloch musste noch gelebt haben, als der Täter sie gefoltert hatte. Auch das war den Blutspuren deutlich zu entnehmen.
»Damit dürfte Adam Samic entlastet sein«, unterbrach Weber ihre Gedanken. »Wir sollten den Chef anrufen, damit er den Mann gehen lässt.«
»Was sagt denn der Doktor zur Tatzeit?«
»Dr. Severin meint, dass der Mord ungefähr sechsunddreißig bis achtundvierzig Stunden zurückliegt. Theoretisch könnte Samic also durchaus der Täter sein, aber ich glaube nicht, dass er dermaßen kaltblütig ist. Denn das hieße, dass er von uns kassiert worden ist, gleich nachdem er Hannelore Bloch ermordet hat. Ich weiß nicht, Anna, aber meiner Meinung nach ist Samic dafür während des Verhörs viel zu ruhig gewesen.«
Wahrscheinlich hat Weber Recht, dachte Anna. Doch selbst wenn sie nach einem Mann mit einer gänzlich anderen Persönlichkeitsstruktur suchten, würden sie trotzdem das Ergebnis des DNS-Abgleichs abwarten, bevor sie Samic auf freien Fuß setzten.
Sie suchten nach einem Mann, der jetzt bereits zum zweiten Mal getötet hatte und der in seinem Wahn höchstwahrscheinlich weiter morden würde, wenn es ihnen nicht gelang, ihn vorher zu stoppen.
»Wir müssen erst das Autopsieergebnis abwarten, Weber. Und wenn es tatsächlich Parallelen zum Mordfall Jacobsen gibt, was ich glaube, werden wir Unterstützung anfordern müssen.«
»Sie meinen, wir brauchen eine Soko für die Bearbeitung der Mordfälle?«
»Weber, warum fragen Sie das denn, wo Sie doch ganz genau wissen, dass das bei zwei Fällen, die auf ein und denselben Täter verweisen, die gängige Praxis ist.«
»Ich meine ja nur, wie das so kurz vor dem Wochenende noch alles klappen soll?«
»Abwarten, Weber, wir werden sehen, was Sibelius entscheidet.«
Amanda stand vor dem großen Schlafzimmerspiegel, um das schwarze Kleid, das sie zu ihrem ersten Treffen mit Cornelius tragen wollte, noch einmal anzuprobieren. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wohl sein würde, wenn sie ihm zum ersten Mal gegenüberstand. Amanda besaß keinerlei Erfahrungen mit »Blind Dates«, bislang hatten sich ihre Affären immer ganz beiläufig auf einer Party oder beim Sport
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