Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
ergeben. Situationen, in denen sich Amanda stets auf sich selbst verlassen konnte, denn sie besaß Spontaneität, Charme und ein Lächeln, das die Männer anzog. Doch diesmal würde sie erstmalig einen Mann aufgrund einer Kontaktanzeige treffen und mit der erklärten Absicht, einen neuen Partner zu finden. War das nicht eine unsäglich peinliche Vorstellung? Und was wäre, wenn sich Cornelius nur einen Spaß mit ihr erlaubt hatte und in Wirklichkeit überhaupt nicht an ihr interessiert war? Nein, bevor sie sich aufs Glatteis begab, musste sie sich noch ein letztes Mal rückversichern, dass sie sich in ihrem Gefühlsüberschwang nicht völlig naiv in eine Geschichte hineingesteigert hatte, die der Realität keine Sekunde standhalten würde.
Amanda klappte ihren Laptop auf und schrieb:
Bleibt es bei morgen Abend?
Aufgeregt,
Helena.
Hallo, meine Schöne,
bestimmt würdest Du breit grinsen, wenn Du mich jetzt vor dem Spiegel stehen sehen könntest. Wie ist es nur möglich, dass ich auf einmal verschreckt wie ein hypnotisiertes Kaninchen all meine kleinen Mängel registriere, anstatt selbstbewusst und stolz an meinem Körper hinunterzuschauen?
Ja, liebste Liebste, ich bin so zittrig, dass mein Kaffee aus dem Becher schwappt. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste, Helena, denn ich mache mir große Sorgen, Dich mit meinem Geschreibsel vielleicht in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Was ist, wenn der Spatz etwas von uns mitbekommt? Läufst Du nicht Gefahr, vor der Zeit aus dem Nest geworfen zu werden, wenn er erst über uns Bescheid weiß? Wäre es daher nicht besser, Du löschst vorsichtshalber alle Mails? Oder hast Du das bereits getan?
Fragt sich beunruhigt
Dein Cornelius.
Natürlich hatte Amanda die Mails von ihrer Festplatte gelöscht, doch dass sie sie zuvor noch auf eine CD kopiert hatte, würde ihr kleines Geheimnis bleiben. Amanda schrieb:
Mach Dir keine Sorgen, die Mails sind längst gelöscht.
Und ich habe nach wie vor keine Ahnung, wie ich die letzten Stunden bis morgen herumbringen soll.
Schlaflos,
Deine Helena.
»Lassen Sie uns einen kleinen Umweg über die Rechtsmedizin machen, bevor wir ins Präsidium zurückfahren«, schlug Anna ihrem Kollegen Weber vor. »Ich möchte vor der Dienstbesprechung unbedingt noch mit Severin reden.« »Das heißt also, dass Sie ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den beiden Frauenmorden vermuten«, fasste Anna Greve wenig später Dr. Severins Vortrag zusammen.
»Wie gesagt, waren das nur meine ersten Eindrücke. Es mag augenfällige Ähnlichkeiten zwischen den beiden Fällen geben, aber Genaueres kann ich Ihnen erst nach der Obduktion von Hannelore Bloch sagen.«
»Die heute noch stattfinden wird?«, setzte Anna nach.
»Am besten, Sie rufen mich gegen siebzehn Uhr noch einmal an, Frau Greve. Ich werde versuchen, Ihnen bis dahin das endgültige Untersuchungsergebnis vorzulegen.«
Im Präsidium machten sich Anna und Weber sofort auf den Weg in den Konferenzraum, in dem sie Günther Sibelius wie auch Ferdinand Huber und Lars Haberland, die Kollegen aus dem Kommissariat sechsundzwanzig, über den Stand der Untersuchungen im Mordfall Hannelore Bloch informierten.
»Wenn sich der erste Eindruck erhärtet und wir es hier tatsächlich mit einem Wiederholungstäter zu tun haben, wird eine Soko gebildet«, entschied Günther Sibelius. »Und sollte Dr. Severin in wenigen Stunden diesbezüglich bereits definitive Aussagen treffen können, werden wir noch heute Abend Nägel mit Köpfen machen. Ich hänge mich gleich ans Telefon, um zu sehen, welche Kollegen für die Soko in Frage kommen, während Sie
bitte mit Hochdruck so viel wie nur möglich über das zweite Opfer herauszufinden versuchen. Richten Sie Ihr Augenmerk dabei vor allem auf mögliche Parallelen und Überschneidungen in den Biografien von Monika Jacobsen und Hannelore Bloch. Gegen neunzehn Uhr treffen wir uns dann wieder hier.«
»Lass es dir schmecken«, stellte Amanda den wunderbar knusprigen, nach frisch geriebenem Pecorinokäse duftenden Nudelauflauf vor ihren Mann auf den Tisch und lächelte.
»Wo treibt sich Klara nur wieder herum?«, knurrte Max, während er seinen Teller füllte.
»Sie ist oben in ihrem Zimmer und lernt für eine Englischarbeit. Ich werde ihr gleich etwas zu essen hochbringen.«
»Warum bekommt unsere Tochter eigentlich immer eine Extrawurst gebraten, Amanda? Es wird ihr doch trotz Schularbeiten wohl noch möglich sein, kurz mit uns zu Abend zu essen. Wieso muss es
Weitere Kostenlose Bücher