Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
enttäuschend ausgefallen. Hatten sie doch weniger Geilheit und Sehnsucht nach dem Leben als großen Schmerz und Todesangst widergespiegelt. Doch heute wusste er, dass er Melli, Monika und Hanne nur zum Üben benötigt hatte. Helena jedoch könnte sein Meisterstück werden, denn aus jeder Zeile, die sie ihm bisher geschrieben hatte, sprach ihre große Sehnsucht nach Unterwerfung. Ja, Helena brauchte den Schmerz. Aber bis es so weit wäre, sollte sich seine griechische Heldin noch weiter nach Cornelius verzehren. Bis zu dem Moment, in dem sie sterben musste. Möglicherweise würde es ihm ja diesmal gelingen, die Geilheit in ihrem letzten Blick kurz vor dem Tod zu konservieren. Er musste nur schnell genug sein.
»Hast du eigentlich einen Schlüssel für Hannes Laube, Horst?«, fragte Marianne Eckart ihren Mann, als sie schnellen Schritts durch die Anlage des Kleingartenvereins »Hermannsthal« ging.
»Nun warte doch mal, ein alter Mann ist schließlich kein D-Zug mehr«, schimpfte Horst Eckart ärgerlich. »Natürlich nicht, es wird auch sicherlich nicht nötig sein, in die Hütte hineinzugehen.«
Marianne Eckart antwortete nicht, verlangsamte ihr Tempo aber erst, als sie vor Hannelore Blochs Parzelle angekommen war. Dort wartete sie auf ihren Mann und warf dabei unbehagliche Blicke auf das vor ihr liegende Holzhaus. Die Sache gefiel ihr nicht.
Zusammen umrundeten die beiden Alten die Gartenlaube, konnten auf den ersten Blick jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Zumal der Schnee mitsamt den Fußabdrücken mittlerweile völlig weggetaut war.
»Siehst du, Marianne, hier ist überhaupt nichts los. Und für die Fußspuren, die ich gestern gesehen habe, gibt es ganz bestimmt eine vernünftige Erklärung. Nun komm schon, es ist kalt«, stupste Horst seine Frau in die Rippen.
»Nein, zuerst will ich noch einen Blick in die Laube werfen«, erwiderte Marianne und deutete auf die ein klein wenig zur Seite geschobene Gardine hinter dem Panoramafenster des Gartenhauses.
»Ach, mach doch, was du willst. Ich setze jedenfalls schon mal das Teewasser auf«, wandte sich Horst zum Gehen, um einen Moment später zu seiner aufschluchzenden Frau zurückzueilen.
Horst Eckart legte seine Hände gegen die Fensterscheibe und spähte durch den schmalen Spalt, den die Gardine offen ließ, in Hannelore Blochs Laube hinein. Das Erste, was er sah, waren große braune Flecken und zahlreiche braune Spritzer auf der weiß tapezierten
Wand direkt ihm gegenüber. Dann entdeckte er das blutverschmierte, nackte und in die Höhe gereckte Bein einer Frau.
6
»Was werfen Sie mir eigentlich vor? Ich kenne die Frau, von der Sie die ganze Zeit über reden, überhaupt nicht«, sagte Adam Samic und schaute nervös zwischen den Kommissaren Greve, Weber und Sibelius hin und her. »Und nur weil ich nicht mehr weiß, was ich vergangenen Donnerstag gemacht habe, dürfen Sie mich nicht ewig hier festhalten!«
»Es ist zwölf Uhr fünfundvierzig«, gab Günther Sibelius mit einem Blick auf die Uhr zu Protokoll. »Die Befragung des Zeugen Adam Samic wird an dieser Stelle unterbrochen und um vierzehn Uhr fortgesetzt werden.«
Sibelius nickte Rüdiger Hoizer, einem Kollegen von der Schutzpolizei, zu, dann verließen die drei Kommissare den Verhörraum.
»Er hat Recht, Chef«, gab Weber draußen vor der Tür zu bedenken. »Ohne ein konkretes Indiz können wir den Mann nicht länger hierbehalten.«
»Nach der Mittagspause versuchen wir eine DNS-Probe von Adam Samic zu bekommen, dann sehen wir weiter. Wenn Samic wirklich nichts mit dem Mord zu tun hat, wird er auch sicher nichts dagegen haben, uns den Beweis für seine Unschuld zu liefern«, meinte Sibelius und ging dann den Flur zu seinem Büro entlang.
»Schauen Sie doch bitte schon einmal, was es heute
Leckeres zu essen gibt, Anna«, schlug Weber seiner Kollegin vor. »Ich komme gleich nach.«
Anna nickte und machte sich gehorsam auf den Weg. Als sie sich wenig später in der Kantine anstellte und Marc Hellweg nur ein paar Schritte vor sich in der Schlange stehen sah, verließ sie ihren Platz und stellte sich neben ihn.
»Wie ich hörte, haben Sie sich gestern eine Auszeit genommen«, berührte sie ihren Kollegen ganz leicht am Arm. »Hatten Sie denn einen schönen Tag?«
»Na ja«, entgegnete dieser gequält lächelnd, »falls Sie es unterhaltsam finden, an Ihrem freien Tag lang aufgeschobene Behördengänge erledigen zu müssen, dann hatte ich gestern richtig viel Spaß.«
Anna nickte
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