Totenrache und zehn weitere Erzählungen
lahm. Er spürte seinen heißen Atem ihm übers Gesicht fahren, der seine Erregung ankündigte. Himmel, wenn er jetzt nur die Worte gefunden hätte, ihr zu sagen, dass er sie wollte, ganz gleich, was sie als Preis dafür einforderte, und dass sie hinreißender war, als die Filmschlampen je sein würden - aber er fand die Worte nicht. Statt dessen hörte er sich fragen: „Wie bist du hier hereingekommen?“
Dieser Frage schloss sich nahtlos eine weitere an: Wozu war sie hier? Um Brendan zu sehen, ihn als ihren nächtlichen Liebhaber zu erobern? Nochmals: Wozu? Es mochte Männer geben, die dieses Wagnis lohnend machten, aber seine Schwächen waren zu offensichtlich, um dieser Kategorie anzugehören. Lieber Himmel, er war hier, den Dreck fortzuräumen: Sagte das nicht alles über seine Qualitäten?
Zu seinem Bedauern machte die Frau Anstalten, sich zurückzuziehen. Das wäre, in dieser an Ängsten so reichen Nacht, ein bitterer Verlust. Er wusste, er würde sie in seine Träume einweben und sie als Mittelpunkt eines freudigeren Lebens nehmen. Wenn sie jetzt ging, dann konnte er sich seiner Träume niemals entsinnen, ohne zu sagen: Ich hab´ sie verloren .
„Bleib!“, rief er ihr hinterher. „Bitte!“ Die Frau blieb nicht. Sie tauchte wieder ein in die Leichentücher der Schatten. Zurück blieben ihre sich entfernenden Schritte und ihr Duft, der Brendan umfasste, als er im Kielwasser nach dem Verbleib der Frau suchte. Süß roch er, eine neue, unwiderstehliche Variante der Lockung - Zimt und Zucker in einem -, aber als Brendan der Spur intensiver hinterherschnüffelte, entging ihm das andere nicht. Da war noch mehr, hinter der betäubenden Verheißung, etwas Bitteres, das sich Brendans Erfahrungswerten entzog, etwas nur halb so Menschliches, wie die Frau ihm hatte glauben machen wollen, aber gleichwohl diese geheime Wahrnehmung bedrohlicher wurde, je näher er ihrer Quelle kam, konnte Brendan nicht sagen, dass sie ihn abstieß.
Aber sie war fort, durch irgendeinen geheimen Schlupfwinkel verschwunden, und selbst die Codes ihrer Schritte waren verstummt. Brendan konnte nicht einmal die Richtung bestimmen, in welcher er nach ihr hätte suchen müssen. Nach einigen Minuten verzweifelten Herumirrens durch die Kinogänge verlor er jedwede Hoffnung.
Niedergeschlagen kehrte er zu seiner Arbeit zurück, deren lähmende Stupidität ihm genügend Zeit ließ, sein Verlangen zu vertiefen.
Der nächste Tag war ein Donnerstag, in der Spätvorstellung liefen Horrorfilme am Stück, und während Brendan einigen leergesichtigen Gestalten Karten verkaufte, sah er sie wieder. Sie stand im kleinen zugigen Foyer, in dem es fürchterlich nach Erbrochenem roch, obwohl Brendan sicher war, dass während des Abends niemand hier seine Drogenladungen wieder von sich gegeben hatte: Das kam vor, hatte Rod ihn neulich gewarnt.
Sie war nicht allein; neben ihr stand ein Mann, dessen arrogantes Gehabe das eines Zuhälters war. War es das, was sie wollte, fragte sich Brendan enttäuscht; war sie wirklich so scharf darauf, das Gift dieses Abschaums zu bekommen, der vor Erregung zu geifern drohte? Jedenfalls tat sie nichts, sich der Avancen des Mannes zu erwehren. Eher das Gegenteil war der Fall, sah Brendan mit angewidertem Gesicht. Sie schmiegte sich an ihn, mit dem offensichtlichen Gebaren einer Schlampe.
„Krieg ich nun Karten, oder nicht?“, fragte eine Stimme.
An der Kasse stand ein Junge mit geröteten Wangen, die über seine Absicht, die Invasionen von Pickeln fortzuätzen, vernarbt waren; neben ihm kicherte ein Mädchen, das Brendan großäugig anstarrte.
„Zwei?“, fragte Brendan gelassen.
„Was glaubst du wohl?“
Stumm schob Brendan dem übernervösen Jungen Karten und Wechselgeld hin und beobachtete, wie der Blick des Mädchens von ihm zu einem Gigolo schweifte, der über den Parkplatz schlenderte.
Offensichtlich kam niemand mehr, und Brendan ging durch das stinkende Foyer zum Filmsaal; kaum mehr als ein Dutzend Besucher fand sich hier. Er machte die Frau und ihren Zuhälter im Dämmerlicht ausfindig.
Mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen lehnte sich Brendan gegen die Wand und beobachtete abwechselnd das Paar und den Film. Von hier aus hatte man eine vorzügliche Sicht auf die Leinwand. Er kannte den Film bereits zur Genüge. In den letzten Tagen hatte er ihn rund ein halbes Dutzend Mal gesehen. Gerade dies reizte ihn zum Hinschauen auf das dilettantisch Gebotene.
Da er dem Minimum an Handlung keine Aufmerksamkeit
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